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Zum Investorenvorhaben am Döppersberg I

10. Februar 2015

Marc SchulzStatement unseres Fraktionsvorsitzenden Marc Schulz

Zur Ratssitzung am 10.02.2015

Am heutigen Dienstag berät der Rat der Stadt Wuppertal in einer Sondersitzung das geplante Investorenvorhaben am Döppersberg. Ein wesentlicher Kritikpunkt für viele Menschen in Wuppertal ist der vom potentiellen Investor vorgesehene Ankermieter PRIMARK. Dass das Thema eine große Aufmerksamkeit genießt, zeigen die vielen Zuschriften und natürlich auch die Online-Petition “ Nächster Halt: Wuppertal-PRIMARK – Nein, Danke! „, die das vorgesehen Quorum von 3.300 Unterschriften mittlerweile weit überschritten hat und nun auf fast 5.000 Unterstützer*innen kommt.

Die grüne Ratsfraktion hat nach einem langen und intensiven Beratungsprozess beschlossen, sich zu dem Verwaltungsvorschlag zu enthalten, wissend, dass diese Position dem einen zu viel und den anderen zu wenig sein wird. Sie ist aber vor dem Hintergrund der Entscheidungen zum Umbau Döppersberg konsequent und folgerichtig.

Obwohl wir den neuen Döppersberg insbesondere wegen seiner Verbesserungen für den ÖPNV und die mit dem Umbau einhergehende Attraktivitätssteigerung für die Innenstadt insgesamt befürworten, sehen wir das Bauvorhaben von Signature Capital, vor allem die geplante Ansiedlung von Primark, sehr kritisch.

Auf dem Podium der Diskussionsveranstaltung zum Thema „Primark“ am 21.10.14 in der Villa Media habe ich diese Kritik an dem Textilunternehmen angesprochen und deutlich gemacht, dass mit diesem Ankermieter das falsche Signal gesetzt wird: ein Zeichen für Ausbeutung und Umweltzerstörung am anderen Ende der Welt und für schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne bei uns vor Ort.

Und das obwohl sich Wuppertal seit 2010 offiziell als Fair-Trade Stadt bezeichnen darf und stolz darauf ist, dass sich immer mehr Einzelhändler*innen, Gastronomiebetriebe, Kirchengemeinden, Vereine und Schulen den fairen Handel und Konsum auf die Fahnen geschrieben haben.

Das Vorhaben, Primark als Billig-Textilhändler an einem derart hervorgehobenen Standort anzusiedeln, können wir daher nicht unterstützen. Darüber hinaus halten wir die Architektur des Investorengebäudes insgesamt für überdimensioniert und hätten uns an diesem prägnanten Ort einen weniger monumentalen Bau gewünscht. Wir können den Beschluss in der Ratssitzung am 10.02.15 daher nicht mittragen, auch wenn PRIMARK als Mieter des Investors dort gar nicht zur Abstimmung steht.

Gleichwohl ist der neue Döppersberg weitaus mehr als nur PRIMARK, auch wenn sich derzeit alles auf diesen einen Aspekt konzentriert. Der Döppersberg-Umbau stellt das größte und wichtigste städtebauliche Projekt der Gegenwart in unserer Stadt dar. Dabei geht es im Kern darum, die Bausünden bei der Verkehrsplanung der 1960er Jahre zu korrigieren, in deren Mittelpunkt der absolute Vorrang des Autos vor allen anderen VerkehrsteilnehmerInnen stand. Diese Konzeption, die folgerichtig die Fußgängerinnen und Fußgänger unter die Erde verfrachtete, keine Rücksicht auf die Barrierefreiheit nahm, den Öffentlichen Personennahverkehr an den Rand drängte, dem Fahrradverkehr überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr zollte und auch ansonsten wenig innerstädtische Aufenthaltsqualität schuf, dominiert bis heute den Hauptverkehrsknotenpunkt unserer Stadt und somit auch den ersten Eindruck, den man erhält, wenn man mit der Bahn in unserer Stadt ankommt.

Die einzelnen Bestandteile des Umbaus nach bisheriger Projektplanung haben in der Summe eine deutliche Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zum Ziel und sollen gleichzeitig eine spürbare Stärkung des Einzelhandels bewirken.

Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Bestandteile des Projektes:

    • Deutliche Verbesserung der Verkehrssituation für FußgängerInnen durch einen oberirdischen und direkten Zugang vom Hauptbahnhof in die Elberfelder Innenstadt;
    • erkennbare Aufwertung des Öffentlichen Personennahverkehrs durch einen neuen Busbahnhof;
    • Schaffung eines Fahrradabstellplatzes, um auch bei diesem Verkehrsprojekt das Ziel einer „Fahrradstadt Wuppertal“ weiter vorantreiben zu können;
    • Reaktivierung der Wupper als erfahr- und sichtbare Lebensader für die Stadt durch einen direkten innerstädtischen Zugang und
    • Schaffung neuer Aufenthaltsmöglichkeiten in der Innenstadt durch den Wupperpark.

Trotz der Kritik an einzelnen Bestandteilen dieses Projektes glauben wir immer noch, dass der Umbau eine deutliche Verbesserung für unsere Stadt darstellen wird. PRIMARK als Mieter wird eine temporäre Erscheinung sein und es liegt an uns allen mit dazu beizutragen, dass mehr Nachhaltigkeit und bessere Produktionsbedingungen bei der Kleidungswahl zukünftig einen höheren Stellenwert erhält. Für die Zukunft müssen wir daran arbeiten, Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gründe aufzuklären, warum Textilien bei Primark & Co. so billig sind und dass die Textilarbeiter*innen und die Umwelt in den Produktionsländern den Preis dafür bezahlen müssen. Wir hoffen, dass in unserer Gesellschaft bald ein Umdenken stattfindet, das dazu führt, Unternehmen wie Primark, Kik, H &M und viele andere zu zwingen, ihre Produktionsketten endlich nachhaltig zu gestalten und ihren Angestellten gute und soziale Arbeitsbedingungen zu bieten.

Die Chance für eine so grundlegende Umgestaltung des Hauptverkehrsknotenpunktes unserer Stadt wird es aber in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr wieder geben.

Und auch wenn ich mir natürlich an vielen Stellen in unserer Stadt grüne Wiesen vorstellen kann, hielte ich eine große Freifläche vor dem Hauptbahnhof nicht für angemessen, zumal der Stadt die Mittel für die anspruchsvolle Gestaltung und anschließende Pflege dieser Flächen fehlen. Auch ein Verzicht auf die beidseitige Bebauung der Brücke über die B7, die ja Bestandteil des Investorenvorhabens ist, kann nicht ernsthaft als Alternative angesehen werden. Ein freier Blick (und freie Ohren) auf die meist befahrene Straße unserer Stadt kann eigentlich nur für Masochisten eine attraktive Option darstellen.

Aus diesen Gründen kommt eine Ablehnung des Investorenvorhabens am Döppersberg für uns nicht in Frage.