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Verkaufsoffene Sonntage

15. November 2016

Rede unseres GRÜNEN Fraktionsvorsitzenden Marc Schulz im Rat der Stadt Wuppertal am 14.11.2016

Marc_Schulz_querSehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,

vorab: ich bin in der Frage der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage persönlich gänzlich unbedarft. Ich bin kein Einzelhändler, ich bin kein ver.di-Mitglied, ich arbeite nicht im Einzelhandel und hasse Shoppen. Wenn ich tatsächlich einmal in die Stadt gehen muss um etwas zu erledigen, dann brauche ich in der Regel höchstens eine Stunde und maximal zwei bis drei Geschäfte und dann bin ich fertig. Dafür reicht für mich die normale Geschäftsöffnung in der Woche vollkommen aus. Und dann gibt es natürlich noch die Notwendigkeit  gelegentlicher Shopping-Begleitungen, um das familien-interne Klima zu pflegen, aber das war es dann auch.

Ich stelle das voraus um deutlich zu machen, dass es mir bei der Bewertung dieses Antrages überhaupt nicht darum geht, irgendeinen Partner, irgendeine Partei in diesem Konflikt in Schutz zu nehmen oder anzugreifen oder nachzuvollziehen müssen, wer was in welchen Gesprächen gesagt hat oder es hinterher wieder zurückgenommen hat.
Mir geht es um das Prinzip der Abwägung von Profitinteressen des Einzelhandels und den Konsuminteressen der Kundinnen und Kunden einerseits und dem Schutzbedürfnissen der im Einzelhandel Beschäftigten andererseits.

Der Sonntag ist für die allermeisten Menschen ein Geschenk: unverplante, arbeitsfreie Zeit, Zeit für den Gottesdienst, gemeinsame Zeit mit und für die Familie, kein Konsumzwang, einfach mal Mensch sein. Und genau das ist die Intention des von der rot-grünen Landesregierung 2012 novellierten Ladenöffnungsgesetzes NRW. Die damaligen Änderungen wurden von den Gewerkschaften einerseits kritisiert als nicht weit gehend genug, die anderen – Einzelhändler, CDU, SPD – haben kritisiert, es wäre zu weit gehend. Das Ladenöffnungsgesetz liegt also genau in der Mitte und wahrscheinlich ist es deswegen gut und angemessen. An den normalen Werktagen setzt das Gesetz einen weiten Rahmen, in dem die Öffnung bis 22 Uhr möglich ist, eine Regelung, die auch in meiner Partei nicht unumstritten war. Bei der Möglichkeit zur Öffnung an Sonn- und Feiertagen macht das Gesetz hingegen klare Vorgaben:
Einerseits je Verkaufsstelle im Jahr viermal zu öffnen und in der Kommune insgesamt die Möglichkeit, elf Tagen zu öffnen zuzüglich an einem Adventssonntag. Dabei muss  zwingend ein Anlassbezug für diese Öffnung vorliegen, der aus sich heraus mehr Menschen in die Stadt holt als die Ladenöffnungen schaffen würden.

Diese Einschränkungen sind auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 zurückzuführen, in dem die besondere Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer hervorgehoben wurde und eine Öffnung der Geschäfte als Ausnahme und nicht als Regel festgelegt wurde, für die es einen besonderen Anlass braucht.

So steht übrigens auch genau in der Beschlussbegründung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf: „Als solcher Sachgrund zählen weder das bloße wirtschaftliche Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber noch das alltägliche Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Kunden“. Und genau diese besondere Sorgfaltspflicht bei der Festsetzung der Termine hat, jedenfalls laut dem Gericht, die Stadt Wuppertal nicht berücksichtigt. Es ist also nicht der Nachweis erbracht worden, dass der Anlass Weihnachtsmarkt, der ja kein einmaliges Ereignis an diesem Tag ist, sondern über mehrere Tage und Wochen geht, aus sich heraus mehr Menschen in die Stadt bringt, als es der gleichzeitig stattfindende verkaufsoffene Sonntag vermag.

Und dann ist es eben nicht mit dem geltenden Ladenöffnungsgesetz NRW vereinbar, so einfach ist das.

Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren den Beschlüssen zur Festlegung der verkaufsoffenen Sonntage nicht zugestimmt, auch weil bei den Vorschlägen der Stadt aus unserer Sicht der Anlassbezug nicht ausreichend erkennbar war.

Ich zitiere aus einer Rede meines Fraktionskollegen Paul-Yves Ramette aus der Ratssitzung vom 12.11.2012, in der er unsere Ablehnung der damaligen Vorlage begründete:
„Der andere Grund für unsere Ablehnung ist der Anlassbezug für verkaufsoffene Sonntage, der von der Landesregierung bald wieder in das Gesetz hineingeschrieben wird, der ist in der Vorlage überhaupt nicht zu erkennen und es stünde uns gut zu Gesicht, wenn die Verwaltung diesen Anlassbezug der einzelnen verkaufsoffenen Sonntage schon jetzt aufgenommen hätte, das ist aber leider nicht der Fall“.

Meine Damen und Herren,
zusammengefasst: das Gericht hat noch einmal deutlich gemacht, dass der verkaufsoffene Sonntag eine Ausnahme darstellen soll, um den Schutz der Beschäftigten im Einzelhandel zu stärken.

Wenn die FDP in ihrem Antrag jetzt fordert, die Stadt möge nachträglich einen Anlass schaffen, um einen bereits jetzt feststehenden verkaufsoffenen Sonntag ermöglichen zu können, führt sie die Intention des Antrages im Grunde ad absurdum und vom Prinzip her ist das der Aufruf zum Rechtsbruch, aus meiner Sicht.

Man mag unterschiedlicher Meinung sein über die Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes, bezüglich der Beachtung geltender Gesetze und ihrer Intention sollten wir aber eigentlich alle der gleichen Meinung sein. Deshalb lehnen wir ihren Antrag ab.

An die Verwaltung möchte ich aber noch folgende Bitte richten auch aus aktuellem Anlass:
Es war in der Vergangenheit üblich, dass die Protokolle der Abstimmungsgespräche zwischen Einzelhandel, Kirchen, Gewerkschaften und Stadt der Politik zur Kenntnis gegeben wurden. Das ist in den letzten Jahren nicht mehr erfolgt. Wir halten es vor dem Hintergrund dieser aktuellen Debatte für zwingend erforderlich, dass dies in Zukunft wieder passiert,, damit man auch nachvollziehen kann, welche Position zu welchen Sonn- und Feiertagen in diesen Gesprächen  zwischen den jeweiligen Akteuren verhandelt wurde. Und wir halten es für erforderlich, dass die Vorlagen zur Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen zukünftig eine nachvollziehbare Begründung des vom Gesetz geforderten Anlassbezuges enthalten, und nicht einfach nur den Hinweis „Barmen live“, „Weihnachtsmarkt“, „Frühlingsfest“. Ich meine, wir haben jetzt gelernt, dass wir zukünftig bei der Festlegung dieser verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage noch einmal ein bisschen genauer hinschauen.

Vielen Dank.