Verabschiedung Haushalt 2010/2010 und Haushaltssicherungskonzept, Teil 2
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Gäste,
ich möchte Sie nicht damit langweilen, indem ich alle Zahlen zum Doppelhaushalt 2010/2011 und zum HSK Teil 2 wiederhole, die wesentlichen Fakten kann ich Ihnen jedoch nicht ersparen.
Unsere Kernforderung war und ist, dass das Land in Vorleistung gehen muss, bevor wir weitere schmerzhafte Kürzungen in Wuppertal vornehmen. Jeder Euro, den wir zur Haushaltskonsolidierung einsparen, verringert die Attraktivität der Stadt. Gleichzeitig wird jeder Euro, den wir einsparen, durch eine schlichte Zinssteigerung auf dem Kapitalmarkt oder durch Steuergeschenke der Berliner Koalition zunichte gemacht. Deshalb ist es Unfug, in Wuppertal zu kürzen, wenn sich die Einnahmesituation der Stadt nicht grundlegend ändert.
Wuppertaler Eckdaten
An den vorliegenden Zahlen gibt es wenig zu deuteln, sie liegen alle im tief roten Bereich.
Das strukturelle Defizit Wuppertals liegt in diesem Jahr bei weit über 200 Mio. Euro, das Gesamtdefizit erreicht schon bald die schwindelerregende Höhe von 2 Milliarden. Im nächsten Jahr werden wir komplett überschuldet sein. Das sind schon fatale Eckwerte, die jedem verantwortungsvollen Haushaltspolitiker den Schweiß auf die Stirn treiben.
Wir alle wissen nur zu gut, dass der heute vorliegende Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2010/2011 nicht genehmigungsfähig ist.
Folgen für Wuppertal
Die Folge ist bekannt: Wir leben von der Substanz. Die öffentliche Infrastruktur vergammelt, Straßen und Liegenschaften werden nur noch notdürftig instand gehalten, Ersatzschulen und Spielplätze sind in einem beklagenswerten Zustand.
Sanierungen, die der Werterhaltung der kommunalen Einrichtungen dienen, können ebenso wenig stattfinden wie rentierliche Investitionen. Das ist unwirtschaftlich und nicht nachhaltig. Das kommunale Vermögen wird so zwangsweise verfrühstückt.
Und was macht schwarz-rot?
Anstatt nun sorgfältig abzuwägen, was eine gebeutelte Stadt wie Wuppertal braucht, um auch in der Krise einigermaßen lebensfähig und lebenswert zu bleiben, wird uns vom Regierungspräsidenten in Düsseldorf der Rotstift als einziges Erfolgskriterium vorgeschrieben. Und was passiert vor Ort? CDU und SPD folgen den Vorgaben in weiten Teilen blind und übertreffen die Einspar-Vorgaben des Regierungspräsidenten sogar noch, die Spirale nach unten dreht sich immer schneller.
Die Haushalts- und HSK-Beratungen sind Stückwerk: der erste Teil des HSK wird im März verabschiedet, der Personalabbau wird als laufendes Geschäft der Verwaltung deklariert, der zweite Teil des HSK und der Doppelhaushalt stehen heute im Juli auf der Tagesordnung. Die Kürzungen bei den Bühnen und die Schließung von Bädern wurden das nächste Jahr 2011 verschoben.
CDU und SPD Sie legen ein Sparpaket von insgesamt 60 Mio. Euro statt den ursprünglich geplanten 80 Mio. Euro vor, um den Schuldenberg abzuschmelzen.
Die Grund-, Gewerbe- und Hundesteuersätze sollen angehoben und diverse Zuschüsse an freie Träger gekürzt werden. Durch die Finanzkrise sind allerdings die Gewerbesteuereinnahmen eingebrochen; jetzt die Hebesätze hochzusetzen halten wir für kontraproduktiv.
Die Gewinne städtischer Tochterunternehmen werden abgeschöpft, auch beim Personal wird massiv gekürzt.
Der Personalabbau nimmt schon heute dramatische Auswirkungen an, bis 2014 sollen insgesamt 500 Stellen nicht wieder besetzt werden.
Schwarz-rote Performance
Die schwarz-rote Performance ist denkbar schlecht. Die Große Kooperation beschreitet keinen abgestimmten und planvollen Weg, das städtische Finanzschiff trudelt durch die Gegend. Einrichtungen in Wuppertal werden mit der Androhung der Streichung von Zuschüssen in Angst versetzt, dann werden die Kürzungen wieder zurückgenommen. Zuerst soll die börse geschlossen werden, dann wieder nicht. So werden nur die Betroffenen stark verunsichert. Mit ihnen wurden im Vorfeld keine Gespräche geführt, Wenn man etwas für die Stadt erreichen will, müssen die Beteiligten mitgenommen werden, CDU und SPD haben das aber klar versäumt.
Man könnte glatt den Eindruck gewinnen, dass Kürzungsvorschläge nur in die Welt gesetzt wurden, damit CDU und SPD diese später als Retter dastehen können, wenn sie die Vorschläge zurücknehmen. Dieses Hin und Her sollte man niemandem zumuten.
Noch vor einem halben Jahr riefen alle Fraktionen und der OB nach zivilem Ungehorsam. Aber wo bleibt der aktive Widerstand gegenüber dem Bund, der mit seinem Sparpaket auf Kosten der Kommunen das Wuppertaler HSK ad absurdum führt?!
Was wir bekommen sind warme Worte von zahnlosen Tigern wie dem Städtetag, die sicherlich in ihren Analysen zutreffende Beschreibungen abgeben, die aber in Berlin nicht gelesen werden. Was machen die CDU – Bundestagsabgeordneten Peter Hinze und Jürgen Hardt in Berlin für die Kommunalfinanzen? Das sollten wir sie bei jeden Treffen auf Wuppertaler Stadtgebiet fragen!
Zu einem großen Teil handelt es sich bei den Aufgaben, über die wir hier reden, um Pflichtaufgaben. Es kann nicht sein, dass die Standards hier so weit reduziert werden, dass die Aufgaben de facto nicht mehr wahrgenommen werden! Was nutzt z.B. einem schwerkranken Menschen ein Schwerbehindertenausweis, wenn er kurz nach dessen Ausstellung stirbt?
Der Stellenabbau:
Die Personaleinsparungen finden unter Ausschluss der parlamentarischen Kontrolle durch den gewählten Rat der Stadt Wuppertal statt und sie werden gedeckt durch die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, die die Stadt Wuppertal gemeinsam mit dem Oberbürgermeister und Kämmerer in der so genannten Mittwochsrunde leiten. Die eigentlich dafür gewählten politischen Wahlbeamten haben immer weniger Einfluss auf die Steuerung dieses Rathauses.
Wir werden noch in diesem Jahr die ersten Vorlagen zur Schließung von Jugendeinrichtungen hier im Rat vorliegen haben weil die Altersstruktur der MitarbeiterInnen im Jugendbereich eine Überalterung aufzeigt und seitens des Kämmerers die Stellen nicht nach besetzt werden.
Ähnlich sieht die Situation im Gesundheitsamt aus. Diese Entscheidungen werden vom Grünen Tisch aus getroffen, ohne sich vor Ort ein Bild zu machen. Geschäft der Allgemeinen Verwaltung nennt sich das dann.
Wann holt der Rat sich das Organisationsrecht wieder zurück und schafft Strukturen, die transparent sind? Dazu gehört, dass die Stadtbetriebsleiter zumindest in den politischen Gremien Rechenschaft ablegen.
Haben das die Wählerinnen und Wähler so gewollt? Zu besseren Zeiten der SPD gab es eine Personal- und Stellenplankommision, da gab es eine demokratische Kontrolle und jetzt findet alles hinter verschlossenen Türen statt. Da fällt mir wieder dass Wahlkampfmotto der CDU ein: Gemeinsam – da müsste doch die Bevölkerung einbezogen sein, die Realität sieht jedoch anders aus.
Sparpaket-Beispiele
Die langfristige Verunsicherung der Bevölkerung geht weiter. Weitere Beispiele für die Auswirkungen der Sparpakete sind:
– Die Diskussion über Einsparungen in den Bereichen Schul- und Stadtteilbibliotheken hat sich in den letzten acht Jahren mehrfach wiederholt – und das, obwohl von der Landesseite die Lesekompetenz der Kinder immer wieder eingefordert wird. Von dem Ziel „gemeinsam“ die Lesekompetenz zu erreichen, kann dann keine Rede mehr sein. Immerhin sind die Kürzungen für die nächsten zwei Jahre vom Tisch.
– Beim Thema Wuppertaler Bühnen geht man mit derselben Strategie vor. Die Verwaltung fordert die Schließung einer Sparte und die beiden Partner von SPD und CDU schlagen uns dann vor, dass wir mit einem Partner eine Kooperation eingehen sollen – obwohl diese Möglichkeit als Fragestellung beim Bühnengutachten von der Firma Actori nicht beantwortet werden sollte. Diese Entscheidung sollte ursprünglich im Frühjahr getroffen werden, jetzt ist sie immerhin auf das nächste Jahr geschoben worden.
– Der Sparkurs von CDU und SPD wird dazu führen, dass z.B. Offene Türen für Kinder- und Jugendarbeit auf kaltem Wege Tageweise geschlossen werden müssen, wie es bei der OT Höhe zu befürchten ist, die in einem Sozialen Brennpunkt liegt Zum Beispiel 3,5 Mitarbeiter, 1Kollegin schwer erkrankt, eine halbe Stelle Schwangerschaftsvertretung aber keinen Nachersatz .
Die Zuschüsse an Offene Türen in freier Trägerschaft sind seit Jahren eingefroren und müssen angemessen erhöht werden. Das Personal in städtischen Einrichtungen muss zumindest auf dem aktuellen Stand bleiben, wenn nicht ausgebaut werden. Durch die 500 nicht wiederbesetzten Stellen besteht zumindest perspektivisch die Gefahr, dass Offene Türen geschlossen werden müssen. Hier einzusparen ist blauäugig, der Bestand aller städt. OTs und Spielplatzhäuser muss gesichert werden. Mit der Kinder- und Jugendarbeit erreichen wir gerade auch die Kinder und Jugendlichen aus problembelasteten Umfeldern, die sonst auf der Strecke, sozial, bildungsmäßig im Abseits bleiben. Kürzungen dort führen schon direkt zu einigen Mehrausgaben in den erzieherischen Hilfen sowie mittel- und langfristig zu erheblichen Mehrausgaben.
– Ein weiteres Beispiel sind die Stellenkürzungen in der VHS. Im Zuge der Fusion zur Bergischen VHS 2006 wurde bereits Personal abgebaut. Die jetzt vorgesehenen Einsparungen können nicht ohne drastische Angebotsstreichungen umgesetzt werden. In Wuppertal stehen die Familienbildung und die Bildungsberatung zur Disposition. Aus der Wirtschaft und der IHK hört man die Worte vom lebenslangen Lernen, aber wir bauen auf Vorschlag der Verwaltung hier Stellen ab, also im Bereich Bildung.
– Im nächsten Jahr kommt die geplante Schließung von Hallen- und Freibädern wieder auf die politische Agenda. Wir bezweifeln, ob ehrenamtliches Engagement der BürgerInnen ausreicht, um die fehlenden städtischen MitarbeiterInnen auszugleichen, von der Technik ganz zu schweigen.
Wir sind nicht allein: Kommunen NRW, Entwicklungen
Nicht nur in Wuppertal steht es schlecht, wir sind kein Einzel- oder Sonderfall. Die Städte des bergischen Städtedreiecks und das Ruhrgebiet sind überschuldet oder werden dies demnächst sein.
Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrem jüngsten kommunalen Schuldenreport ermittelt, dass schon in 388 NRW-Gemeinden der Haushalt in eine problematische Schieflage geraten ist.
In ganz NRW ist bis auf Düsseldorf, Bonn und Münster keine einzige Großstadt von der kommunalen Schuldenkrise ausgenommen, das ist das was uns die Regierung Rüttgers hinterlassen hat.
Schwarze Zahlen schreiben nur noch wenige kleine Gemeinden in den „Speckgürteln“ der Großstädte. Und die sind nur bedingt mit größeren Städten vergleichbar, müssen sie doch als „Schlafstädte“ viele Großstadtangebote nicht vorhalten.
Allein von Mitte 2005 bis Ende 2009 stiegen die kommunalen Kassenkredite, mit denen die Städte ihre unmittelbare Zahlungsfähigkeit gewährleisten müssen, in NRW um rund 70 Prozent von 10,2 auf rund 17,6 Milliarden Euro.
Die NRW-Kommunen haben damit über die Hälfte der bundesweiten Kassenkredite aufgenommen. Eine tickende Zeitbombe, denn die zur Zeit eher moderaten Kreditzinsen werden zukünftig wieder deutlich steigen.
Das Defizit der NRW-Städte und Gemeinden hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf rund 30 Milliarden Euro aufsummiert. Noch einmal die gleiche Summe wird für die kommenden 10-12 Jahre prognostiziert.
Die Sozialausgaben sind von ehedem 6 % auf über 20 % der Gesamtausgaben gestiegen und haben die 40-Milliarden-Grenze bereits deutlich überschritten, während die Sachinvestitionen von ehedem 33 % auf mittlerweile 12 % der Gesamtausgaben gesunken sind.
Diese Trends betreffen mit im Einzelfall leicht anderen Prozentanteilen auch Wuppertal!
Allein durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden für Wuppertal Einnahmeverlust von ca. 7 Mio. Euro in diesem Jahr prognostiziert. Klar ist: Sämtliche Kommunen in NRW stecken in einer katastrophalen Strukturkrise, die eben nicht zuerst vor Ort in den Griff zu bekommen ist, so sehr sie sich auch anstrengen.
Die kommunalen Ausgaben sind strukturell unterfinanziert. Die Zuweisungsschlüssel des Landes sind falsch bemessen, die Ausgleichsansätze nicht ausreichend.
Forderungen, um Nothaushaltskommunen aus der Krise zu helfen:
Zu guter Letzt müssen nach wie vor Forderungen nach GRÜNER Auffassung umgesetzt werden, um den Nothaushaltskommunen aus der Finanzmisere zu helfen:
• Eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen gehört ins Grundgesetz: Die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen in Artikel 28 muss ergänzt werden durch eine Garantie der Mindestfinanzausstattung und eine Verankerung des Konnexitätsprinzips.
• Die kommunalen Einnahmen müssen verstetigt werden.
• Dazu gehört der Verzicht auf weitere Steuersenkungen, die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer, indem Freiberufler in die Steuerpflicht einbezogen werden sowie eine ökologische Ausrichtung und Anpassung der Grundsteuer.
• Eine Altschuldenhilfe wird unerlässlich sein, ebenso wie eine massive Entlastung von den Kosten der sozialen Transferleistungen. Die neue rot-grüne Landesregierung wird eine Konsolidierungshilfe für Nothaushaltskommunen auflegen, die ein wichtiger erster Anfang ist. Wir begrüßen, dass OB Peter Jung laut Radio Wuppertal in der letzten Woche ebenfalls seine Hoffnungen auf die rot-grüne Landesregierung setzt.
• Worauf es aber ankommt ist, den Druck von unten aufrecht zu erhalten.
• Wuppertal als eine der am schlimmsten gebeutelten Städte muss deshalb an vorderster Front bei allen Protesten und Reforminitiativen stehen, sei es im Städtetag oder gemeinsam mit den anderen Nothaushaltskommunen in NRW.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ohne diese Hilfen führen alle Kürzungsvorschläge in Wuppertal einzig dazu, die Stadt weiter ins Elend zu führen, eine strukturelle Verbesserung kann damit nicht erreicht werden. Die Stadt verarmt sozial, kulturell und sportlich. Deshalb werden wir dem HSK und dem städtischen Doppelhaushalt nicht zustimmen.
Zum Abschluss möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Kämmerei für ihre umfangreiche Arbeit bedanken. Unser Dank geht aber auch an die Beschäftigten die auch ohne zustehende Beförderungen ihre wichtige Aufgaben zum Wohl der Bevölkerung geleistet haben, wir denken hier insbesonders an die Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr.
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit“