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Haushaltssanierungsplan 2012 – 2021 und Haushaltsplan 2012/2013

8. Mai 2012

Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen
sehr geehrte Damen und Herren,

Rahmenbedingungen

nach 10 Haushaltssicherungskonzepten haben wir mit der heutigen Verabschiedung des Haushaltes und des Haushaltssanierungsplans die Chance, wieder zur eigenen Handlungsfähigkeit zurückkehren. Diese Möglichkeit verdanken wir der ROT-GRÜNEN Landesregierung, die den Stärkungspakt Stadtfinanzen auf den Weg gebracht hat. Damit hat die ROT-GRÜNE Landesregierung das eingehalten, was sie vor den Wahlen 2010 versprochen hat. Eine Woche vor der jetzigen Landtagswahl sind wir uns sicher, dass sich die Wählerinnen und Wähler  erinnern können, wer die Großstädte wie Wuppertal mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen aus der Schuldenfalle herausgeholt hat.

Die Landesregierung hat es vorgemacht, die Bundesregierung darf jetzt die Augen vor der Notlage der Kommunen nicht weiter verschließen.

Sie muss den Kommunen die Mittel zur Verfügung stellen, die benötigt werden, um unsere Aufgaben auch bewältigen zu können.  Nur so können wir für unsere Bürgerinnen und Bürger ausreichende soziale Einrichtungen, kulturelle Angebote, Sportstätten und eine intakte und attraktive Infrastruktur vorhalten.

Wir sind weit entfernt von stabilen Gemeindefinanzen. Wir erkennen an, dass der Bund wenigstens die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit übernommen hat. Das reicht aber bei weitem nicht aus

Seit Einführung des Arbeitslosengeldes II im Jahr 2005 ist der Kostenanteil der Kommunen um 2 Mrd. Euro gestiegen, der Bund hat dagegen seine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft ab 2011 auf durchschnittlich 25,1 Prozent reduziert. Kostensteigerungen z.B. durch steigende Mieten und Energiepreise werden jetzt allein von den Kommunen getragen. Auch in der Jugendhilfe verweigert die Bundesregierung den Kommunen ausreichende Mittel.

Ein weiteres Problem ist der Solidarbeitrag Ost, der in der bisherigen Form nicht mehr fortgesetzt werden darf. Er zwingt Nothaushaltskommunen wie Wuppertal dazu, noch zusätzliche Schulden zu machen. Wir meinen: Die Unterstützung der Städte muss sich nach Bedürftigkeit und Problemlage und nicht nach Himmelsrichtung orientieren.

Jetzt ist die Bundesregierung aufgefordert Wege aufzuzeigen, wie die Großstädte in Nordrhein Westfalen nach dem Jahr 2020 von ihren gigantischen Altschulden herunterkommen und wieder Gestaltungsspielräume erhalten können.

Wir hoffen, dass  am kommenden Sonntag die Arbeit der ROT-GRÜNEN Landesregierung bestätigt wird und wir weiter auf die Hilfe des Landes bauen können. Wir hoffen auch, dass es nach der Bundestagswahl 2013 eine andere Bundesregierung gibt. Dann kann auch die Einnahmesituation aller staatlichen Institutionen verbessert werden.

Nach dem Ausflug in die Bundes- und Landespolitik nun zum Wuppertaler Haushalt

Meine Fraktion hat sich intensiv mit dem Haushaltssanierungsplan und den Änderungsvorschlägen anderer Fraktionen dazu auseinandergesetzt.

Wir sind der Auffassung, dass wir diese Chance nutzen und trotz großer Einschränkungen in vielen Bereichen diesen Haushalt verabschieden sollten. Allerdings wären dazu aus unserer Sicht einige Änderungen notwendig.

Deshalb hat meine Fraktion einen in sich ausgeglichenen Änderungsvorschlag vorgelegt, und zwar für die Bereiche, in denen wir dem Verwaltungsvorschlag nicht folgen können. All unsere Änderungsvorschläge sind mit entsprechenden Deckungsvorschlägen versehen. Damit haben wir die Forderung des Stadtkämmerers erfüllt, das vorgegebene Einsparziel einzuhalten. Mit unseren Änderungsvorschlägen wollen wir in den Bereichen Soziales und Kultur die Sparvorschläge der Verwaltung abmildern bzw. ganz aufheben und durch geringere Kürzungen beim Personal und bei den Sachmitteln Spielräume für den Umbau der Verwaltung lassen. Dazu später mehr.

Personalabbau mit Augenmaß

Nicht folgen konnten wir der Verwaltung beim Abbau des Personals in einer Größenordnung, die alle WuppertalerInnen treffen wird. Hier wollen wir mit unserem maßvollen Änderungsvorschlag die Kurve beim Personalabbau abflachen.

Denn der Stellenabbau und die Arbeitsverdichtung haben einen hohen Preis sowohl für die Beschäftigten selbst als auch für die Bürgerinnen und Bürger. Die Belastungen in der Verwaltung werden immens steigen. Bei immer weniger Personal benötigen die einzelnen Dienstleistungen mehr Zeit. Das ist der Fall, wenn im Bürgerbüro der Ausweis verlängert werden soll, bei der Bearbeitung von Anträgen und Vorgängen, im Bau- oder im Sozialbereich bis hin zur Pflege des äußeren Erscheinungsbildes der Stadt.

Wir möchten uns an dieser Stelle nicht mit dem Oberbürgermeister streiten: die Bürgerinnen und Bürger müssen selbst entscheiden, wie sie den Pflegezustand des öffentlichen Grüns und der Infrastruktur in Wuppertal wahrnehmen. Aber vielleicht soll auf Wunsch der großen Koalition in diesem Bereich Privat vor Staat Einzug halten? Meine Fraktion wird jedenfalls den Personalabbau und die Reduzierung der Sachmittel nicht nur im Bereich des Grünflächenetats genau beobachten.

Das Personalabbaukonzept, das in der Verwaltung ab dem Jahr 2016 greifen soll, hat viele handwerkliche Fehler. Das neue interne Arbeitsamt – in der Vergangenheit einmal Intab genannt – gibt es weder auf dem Papier noch gibt es erste Vorstellungen davon, wie es aussehen soll. Konkrete Aussagen zu Qualifizierungen und Perspektiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es noch nicht.

Ein Grundfehler des Personalabbaukonzeptes ist es, dass es nicht gemeinsam mit dem Rat der Stadt  erarbeitet worden ist. Eine fachliche Diskussion und politische Schwerpunktsetzungen waren  nicht gefragt. Es ist ein Personalabbaukonzept alleine des Finanzressorts – und das merkt man ihm an!

Echte Bürgerbeteiligung ist unerwünscht

Ein weiteres Beispiel für misslungene Zusammenarbeit ist die Vorlage mit den Ergebnissen der „Bürgerbeteiligung“ am Haushalt. Diese ist zu dünn und wenig hilfreich. Wir GRÜNE haben schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass das Konzept der Stadtspitze zur Bürgerbeteiligung am städtischen Haushalt absolut mager ist. Die Verwaltung macht keine Vorschläge, wie mit den Hinweisen umgegangen werden soll, die von den Bürgerinnen und Bürgern in den Diskussionsrunden und im Internetforum eingebracht wurden. Es gibt keine ausreichende Beschreibung der Ergebnisse. Da wundert es uns auch nicht, dass die Drucksache nicht beschlossen, sondern von uns Stadtverordneten nur entgegengenommen werden soll. Wer auf diese Art und Weise das Engagement der Menschen in Wuppertal missachtet, muss sich nicht wundern, wenn die Akzeptanz politischer Entscheidungen immer weiter sinkt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass eine ernsthafte und erfolgreiche Bürgerbeteiligung nur mit externen Profis gelingen kann. Das hat die Stadtspitze abgelehnt und so gezeigt, wie sie zur Partizipation steht. Wir GRÜNEN werden uns auch weiterhin engagiert für eine Bürgerbeteiligung in unserer Stadt einsetzen, die diesen Namen auch wirklich verdient.

Sachmittelkürzungen transparent machen, Soziales erhalten

Bei den Sachmittelkürzungen sparte die Verwaltung ebenfalls mit konkreten Informationen, – was sich hinter den Zahlenkolonnen verbirgt, erfuhren wir vor allem durch unser hartnäckiges Nachfragen. Nun wollen wir mit unserem Änderungsvorschlag im Volumen von 1 Mio. Euro z.B. erreichen, dass die Projektmittel der Bezirkssozialdienste erhalten bleiben. Sie kommen den Bereichen der Betreuung von Familien und Alleinerziehenden sowie Kindern und Jugendlichen zugute. Sie leisten also einen wichtigen Beitrag zur Prävention.  So wollen wir GRÜNEN nachhaltig Kosten senken und positive Impulse setzen.

Ebenso müssen die Bezirksvertretungen mit ihren Verfügungsmitteln häufig genug Löcher in Bereichen stopfen, die von der Verwaltung nicht finanziert werden. Ich nenne hier nur das Stichwort Projektunterstützung von Schulen und Sportvereinen.  Gerade hinter diesen Sachmittelkürzungen verbergen sich Finanzposten, die direkt Auswirkungen auf das soziale Gefüge haben.

Ein weiteres Beispiel aus dem Sozialbereich: Der Jugendhilfeausschuss wartet seit einem Jahr auf eine Bestandsaufnahme der Spielflächen für Kinderspielplätze und deren weiteren Finanzierungsbedarf. Nachdem die Stadt im letzten Jahrzehnt die Kosten für den Unterhalt um 50% gekürzt hatte, sollen jetzt pauschale Schließungen von Spielplätzen vollzogen und die Flächen veräußert werden. Hier wird aus unserer Sicht der zweite vor dem ersten Schritt getan. Zuerst muss unter der Beteiligung der Bezirksvertretungen eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Vorher kann es nicht zu Verkäufen kommen und deshalb lehnen wir dieses Vorgehen ab. Es konterkariert nebenbei auch das strategische Ziel des Oberbürgermeisters, Wuppertal familienfreundlich zu gestalten.

Kultur als Standortfaktor

Zum Thema Kultur: Die vielfältigen Kulturangebote sind wichtig für ein lebens- und liebenswertes Wuppertal und nebenbei ein nicht zu vernachlässigender Standortfaktor. Diese Vielschichtigkeit wollen wir GRÜNEN erhalten. Den von der Verwaltung angestrebten Kürzungsvorschlag bei der Freien Kultur in Höhe von 130 000 Euro halten wir für einen strategischen Fehler.

Über die freie Kultur hinaus gilt es in Wuppertal auch das Dreispartentheater zu erhalten.

Unser Vorschlag ist, dass die Kürzung in diesem Bereich um 1,5 Millionen Euro geringer ausfallen soll. Weiterhin gehen wir davon aus, dass durch die neue Kooperation die Betriebskosten von 500 000 Euro aufgefangen werden können. Damit bleiben für Wuppertal die drei wichtigen Kultursparten erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil wir wissen, dass Haushaltsberatungen kein „Wunschkonzert“ sind und wir unsere Verantwortung für eine seriöse und nachhaltige kommunale Finanzpolitik wahrnehmen wollen, haben wir auch Deckungsvorschläge für die von uns vorgeschlagenen Mehrausgaben.

GRÜNER Deckungsvorschlag

So wollen wir die Gewerbesteuer um weitere 4 Punkte, also auf 494 Punkte, erhöhen. Der Verwaltungsvorschlag ist nicht in Beton gegossen und kann maßvoll angehoben werden und genau das schlagen wir Ihnen vor.

Der Zweite Deckungsvorschlag ist die Erhöhung der Vergnügungssteuer auf 20 %. In Wuppertal werden jedes Jahr ca. 18 Millionen Euro verspielt. Durch die Beschneidung der Spielhallengewinne soll auch der Spielsucht entgegengearbeitet werden. Wir wissen durch unsere Anfrage im Sozialausschuss, dass die Spielsucht in Wuppertal ein Problem ist und daher wollen wir hier einen Akzent setzen.

Weitere Einsparmöglichkeiten sieht die GRÜNE Fraktion bei den Aufwendungen für Rat und Bezirksvertretungen. Deshalb schlagen wir die Reduzierung der Ratssitze von 66 auf 60 und die Reduzierung der Anzahl der Bezirksvertretungen von 10 auf 6 vor.  Weniger kann mehr sein, das sehen auch viele Bürgerinnen und Bürger so, wie wir in vielen Gesprächen erfahren haben.  Auch der Rat der Stadt muss in dieser schwierigen finanziellen Situation einen größeren Beitrag in Form der Reduzierung der Anzahl seiner Sitze leisten. Das ist aus unserer Sicht das Gebot der Stunde! Auch wenn das Thema vor nicht allzu langer Zeit bereits im Rat behandelt und abgelehnt wurde, halten wir es doch für ein wichtiges Signal, dass Kommunalpolitik auch bei sich selbst spart. Wir hoffen, dass die hier anwesenden Stadtverordneten in diesem Punkt ihre Meinung noch einmal ändern.

Sehr geehrter Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren,

Steuersenkungen auf Bundesebene, eine fehlende Vermögenssteuer, die ausbleibende Korrektur der Unternehmenssteuerreform, ein fehlgesteuerter Solidarbeitrag sowie eine fehlende Transaktionssteuer in Verbindung mit einer unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen haben mit dazu beigetragen, dass Großstädte wie Wuppertal in eine finanzielle Schieflage geraten sind.

Somit muss die Stadt Wuppertal alle Möglichkeiten ausnutzen, um ihre Einnahmen zu verbessern. Aus diesem Grund halten wir die kommunale Einführung der Infrastrukturförderabgabe, meist Bettensteuer genannt, für einen richtigen Weg und haben diese mehrfach gefordert.

Weitere Einnahmen wollen wir über die stationäre Geschwindigkeitsüberwachung erzielen. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann ihr durch eigenes Handeln entgehen, wenn er bzw. sie sich an die vorgegebene Geschwindigkeit hält.

Eine allgemeine Gebührenerhöhung von 1,2 % soll weitere 100 000 Euro in die Stadtkasse bringen.

Keine wirkliche Gesprächsbereitschaft bei CDU und SPD

Wir finden es bedauerlich, dass CDU und SPD trotz einer anders lautenden Pressemitteilung keine wirkliche Gesprächsbereitschaft an den Tag legten, als es um die Haushaltsverhandlungen mit anderen Fraktionen ging. Herr Müller von der CDU sagte am 09.03.2012 wortwörtlich

„Wir würden ausdrücklich begrüßen, wenn die Wuppertalerinnen und Wuppertaler, und besonders auch die anderen Ratsfraktionen sich mit weiteren Vorschlägen konstruktiv an der Diskussion beteiligen. Nur eines muss klar sein. Wie unsere Änderungsvorschläge müssen auch alle anderen Vorschläge die Einsparvorgabe von rund 42. Millionen Euro erfüllen.“

Seriöse Gegenfinanzierung

Wir haben bei unseren Haushaltsanträgen für die Gegenfinanzierung gesorgt, das ist ein Gebot der Seriosität. Auf unseren Vorschlag waren CDU und SPD auch bereit, mit uns zu diskutieren. Bei dem Gespräch haben wir dann erfahren, dass jeder Vorschlag von CDU und SPD in Beton gegossen und nicht mehr verhandelbar ist. Keiner der GRÜNEN Vorschläge, die über die Anträge von CDU und SPD hinaus gingen, wird akzeptiert. Die einzige Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens, die CDU und SPD akzeptierten, wäre der Beitritt zu ihrem eigenen Änderungsantrag gewesen

Dazu empfiehlt die GRÜNE Fraktion den Fraktionen von CDU/SPD sich doch das Büchlein „Verhandeln leicht gemacht“ einmal durch zu lesen: dort steht auch etwas von Verhandeln, aber auch von Kompromissen. Schade, dass der von Ihnen geforderte breite Konsens so nicht zustande gekommen ist.

Zu einem ernsthaften Kompromiss sind CDU/SPD also nicht bereit, so weit sind sie noch nicht. Vielleicht erst nach den nächsten Kommunalwahlen, wenn die Bürgerinnen und Bürger gesprochen haben, und wenn diese Art von Politik bewertet worden ist. Dann aber dürfte es für die Große Koalition zu spät sein.

Die GRÜNE Ratsfraktion war bereit, für diesen Haushalt mit Verantwortung zu übernehmen, aber bei dem Kompromissverweigerungsdiktat der großen Koalition bleibt uns nur die Enthaltung.

Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit und darf mich im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kämmerei für ihre geleistete Arbeit und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Last der Einsparungen zu tragen haben, herzlich bedanken.