Einwohnermeldeamt und Bürgerbüros
Rede unseres GRÜNEN Fraktionsvorsitzenden Marc Schulz im Rat der Stadt Wuppertal am 20.02.2017
Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU,
Sie erwarten möglicherweise von mir eine „Ich hab´s ja immer schon gesagt“-Rede. Und ich kann Ihnen versprechen, dass ich Sie nicht enttäuschen werde.
Die SPD hat mich vor einigen Wochen auf Grund meiner Kritik an der GroKo zum großen Wurf zu Bürgerbüros als obersten Kommentartor der Wuppertaler Kommunalpolitik bezeichnet. Das hat mir geschmeichelt, das sage ich ganz ehrlich. Diese Bezeichnung ist aber ein bisschen in die Irre gelaufen, denn ehrlich gesagt sehe ich mich nicht als obersten Kommentator der Kommunalpolitik, sehr aber mittlerweile als Orakel von Wuppertal. Denn, wie in diesem Fall ist es auch in der Vergangenheit immer wieder bei größeren Themen vorgekommen, dass genau das was wir GRÜNE – Manfred Todtenhausen hat soeben darauf hingewiesen, die FDP ja auch – am Anfang eines Prozesses als Lösung vorgeschlagen haben, erst bekämpft wurden und das am Ende genau das Ergebnis war.
Beim Carnaper Platz war es so, dass wir von Anfang an gesagt haben, es müsste eigentlich die Lösung sein, das man auf dem bestehenden Gelände der WSW einen Neubau plant und dann auch errichtet. Das ist von vornherein abgelehnt worden, das sei unmöglich, das würde zu viel kosten. Am Ende des Tages war genau das der Vorschlag, der jetzt auch umgesetzt wird. Und bei den Bürgerbüros und bei dem Einwohnermeldeamt ist es genau das gleiche. Wir haben von Anfang an – wie die FDP auch – gesagt, Bürgerbüros, Dezentralisierung und jetzt ist genau das das Ergebnis, nachdem man das über Wochen und Monaten hinweg einfach vom Tisch gewischt hat.
Es war in den letzten Jahren so gut wie unmöglich, nichts von den Problemen am Einwohnermeldeamt in Barmen und von der Kritik in der Bevölkerung an den Zuständen mitzubekommen.
Ich möchte hier, wie ich das schon mal vor einigen Jahren bei der Debatte hier im Rat getan habe willkürlich ein paar Presseberichten aus den letzten Jahren zitieren:
- Juli 2011: Ämter überlastet: Wuppertaler brauchen starke Nerven
- Juni 2012: Einwohnermeldeamt: Lange Wartezeiten ärgern die Wuppertaler
- Mai 2014: Vier Stunden Wartezeit: Personalnot im Einwohnermeldeamt
- Juni 2014: Sechs Stunden Wartezeit: Negativrekord im Einwohnermeldeamt
- August 2014: Bürger müssen im Einwohnermeldeamt weiter warten
- August 2015: Amtsleiter Jochen Siegfried im WZ-Interview: „Wir sind konsequent besser geworden“
- Juni 2016: Stadt kriegt Meldeamt nicht in den Griff
- Juli 2016: Notstand im Einwohnermeldeamt
Meine Damen und Herren, um das deutlich zu sagen: Seit Sie im Jahr 2010 aus Spargründen die Bürgerservice zentralisiert haben, ist die Situation ein einziges Chaos. Immer wieder wurde versucht, mit Einzelmaßnahmen gegenzusteuern, ohne die eigentliche Ursache zu bekämpfen. Und immer wieder haben wir im Rat als Opposition darauf hingewiesen, dass eigentlich nur die Wiederöffnung der Bürgerbüros mit einem entsprechenden Vollangebot die Lösung sein kann. Ihre Entgegnung war dann stets: das sind temporäre Phänomene, das hat was mit den Ferien zu tun, nach den Ferien wird alles besser und im Übrigen sind die Menschen es eigentlich selber schuld, wenn sie ihre Passangelegenheiten immer unmittelbar vor den Sommerferien erledigen wollen. Die öffentliche Kritik und der Ärger bei den Bürgerinnen und Bürger haben Sie all die Jahre ziemlich kalt gelassen.
Erst jetzt, nachdem die Bürgervereine und die Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister (sechs von der SPD und vier von der CDU, also keiner von den GRÜNEN oder der FDP) öffentlich und auch innerparteilichen großen Druck aufgebaut haben, erst jetzt reagieren Sie endlich. Nach sechs Jahren! Im Vergleich zu Ihnen reagiert die katholische Kirche auf äußere Veränderungen beinahe hyperaktiv.
Die jetzt vorgelegten Veränderungen bei den Bürgerdiensten ist also nicht etwa einem tiefen inneren Erkenntniswandel zu verdanken. Wie so oft reagieren Sie nur, Sie agieren selber nicht! Wie beim Carnaper-Platz-Fiasko muss offensichtlich immer erst die ganze Stadt auf der Palme sein, damit Sie die Belange der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen.
Durch die Rücknahme der eigentlich für die Dezember-Sitzung geplanten Vorlage zum Strategischen Raumkonzept der Verwaltung, die die Prüfung eines Umzugs des Einwohnermeldeamts in den Heubruch-Flügel am Rathaus vorsah, konnte zumindest noch der Eindruck abgemildert werden, man wolle nun vorschnell Tatsachen schaffen und in der Folge der Einrichtung eines großen Bürgerzentrums die vollständige Schließung der Bürgerbüros herbeiführen. Aber auch dieser Vorgang hat wirklich nicht dazu beigetragen, das Vertrauen in die Verwaltung zu stärken. Zumindest aber ist der unsinnige Vorschlag, neben dem Einwohnermeldeamt auch die KFZ-Zulassungsstelle zu verlagern, nun vom Tisch. Deswegen konnten wir der Prüfung dieses Vorhabens zustimmen.
Der nun vorgelegte Vorschlag zur Optimierung des Einwohnermeldeamtes ist wahrlich kein großer Wurf. Ein ganzer statt zwei halbe Öffnungstage in den Bürgerbüros wird zwar bei gleichzeitiger Wiedereinführung des Vollservices eine leichte Entlastungswirkung für das zentrale Einwohnermeldeamt entfalten. Es bleibt aber dabei, dass aus unserer Sicht eine weitergehende Dezentralisierung das richtige Signal wäre. Und wir wissen dabei dankenswerterweise alle zehn Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister auf unserer Seite.
Ich erinnere mich gut an die Debatten, die wir hier geführt haben, anlässlich der Anträge von FDP aber auch von uns, man möge die Zahl der Bezirke verringern. Da kam aus dem großen Fraktionen immer: „Die Bezirksvertretungen sind gelebte Bürgerbeteiligung, das ist Nähe zur Bürgerin und zum Bürger und deswegen können wir auf diese zehn Bezirksvertretungen in unserer Stadt einfach nicht verzichten“. Wenn das immer noch Ihre Position ist, müssen Sie doch eigentlich die Resolution der zehn Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister aus Ihrer Reihe zustimmen. Wir jedenfalls werden das tun, da wir finden, dass die Forderung nach einer bürgernahen und bürgerfreundlichen Verwaltung, die vor Ort für die Menschen wahrnehmbar ist, unterstützenswert ist. Realistisch betrachtet glaube ich allerdings nicht, dass diese Resolution hier im Rat eine Mehrheit finden wird.
Wir werden der Verwaltungsvorlage zustimmen, auch wenn sie sicherlich nicht der große Wurf ist. Aber wir wissen auch, dass mehr nicht von Ihnen zu erwarten ist und der zumindest mittelfristige Erhalt der Bürgerbüros ist schon mal mehr als nichts. Trotzdem bleibt es dabei, dass Thema der dauerhaften Sicherung der Bürgerbüros auch hier im Rat auf der Agenda bleiben wird und wir werden Sie immer wieder auch daran erinnern.
Vielen Dank.