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Bauvorhaben des Landes NRW Parkstraße/Erbschlö

16. Dezember 2008

„Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

nach relativ kurzer Planungszeit werden Sie heute mehrheitlich beschließen, ein Jugendgefängnis, die Bereitschaftspolizei und zwei Landesschulen auf einem 30 Hektar-Gelände auf Scharpenacken zu bauen. Und Sie glauben, dass diese Entscheidung richtig ist.

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN glaubt das nicht. Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Bau eines Jugendgefängnisses und drei weiterer Landeseinrichtungen. Nach dem grausamen Vorfall in der JVA Siegburg ist offenbar eine Modernisierung des Jugendstrafvollzugs unumgänglich. Wir sprechen uns aber gegen einen Teil des geplanten Standortes aus.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen das Gelände dort oben auf Scharpenacken überhaupt kennt. Wer es kennt, kann diese Baupläne eigentlich nicht beschließen.

Das Gebäude der ehemaligen Standortverwaltung und der Sportplatz liegen an der Parkstraße. Hier könnte problemlos neu gebaut werden. Dahinter – bereits im Landschaftsschutzgebiet – liegen die so genannten Platten Felder. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick über den Scharpenacken bis weit ins Oberbergische. Hinter den Platten Feldern liegt das Weidfeld, der ehemalige Langwaffenschießstand, eine naturschutzwürdige und historisch bedeutsame Fläche mit einem hohen Aufkommen seltener Tiere und Pflanzen, einer der wertvollsten Biotopflächen Wuppertals.

Es war bisher zwar nur Landschaftsschutzgebiet, in Wahrheit aber ein potentielles Naturschutzgebiet. Diese Fläche wurde militärisch seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr genutzt und konnte sich zu dem idyllischen Biotop mit Tümpeln und Büschen entwickeln. Wie Sie dem Umweltbericht entnehmen können, handelt es sich unter anderem um den Lebensraum von 31 planungsrelevanten Arten.
Lebensraum bzw. Nahrungshabitat für seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, brütende Vogelarten, Fledermäuse, Libellen, Schmetterlinge und Heuschrecken. Zahlreiche Aussagen im Umweltbericht weisen auf ihre starke Gefährdung hin. Es ist nicht möglich die Zerstörung dieses Lebensraumes an anderer Stelle annähernd auszugleichen.
Aber Sie glauben trotzdem, es ist richtig, dieses Idyll zu zerstören und ausgerechnet hier ein Gefängnis zu bauen?
Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat gemeinsam mit den Umweltverbänden dafür gekämpft, das Plangebiet zu teilen und auf eine Bebauung des ehemaligen Langwaffenschießstandes zu verzichten.
Doch scheinbar ohne Erfolg.
Die immer wieder beschworene Aussage: Der Standort ist ohne Alternative, ist objektiv falsch!!! Richtig ist, dass es am Willen fehlt, umweltverträglich zu planen und Alternativstandorte zu finden.

In der Standortabwägung wird klar geäußert, dass Kriterien des Naturschutzes betroffen sind. Zitat aus dem Umweltbericht: „Als Bereiche der höchsten Wertstufe werden die zentralen Teile des ehemaligen Schießstandes eingestuft“. Diese Erkenntnis führt aber nicht zu einem Verzicht auf die Bebauung. Stattdessen werden unzureichende Ausgleichsmaßnahmen geplant, die der Kammmolch beispielsweise nach Expertenmeinung nicht überleben wird.

Gebetsmühlenartig werden Synergien genannt, die angeblich nur bei einem einzigen Standort geschaffen werden. Diese Synergien sind nicht schlüssig dargestellt und berücksichtigen nicht die Folgekosten der Naturzerstörung und der Schaffung von Brachflächen. Z.B. werden zig Mio. Euro ins Feld geführt, die durch die Nutzung von Fernwärme am Standort Parkstraße eingespart werden können. Dabei könnte genauso gut am Standort Müngstener Straße oder Blombach Süd Fernwärme genutzt werden.

Und dann kommt noch das Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Dieses Totschlag-Argument muss ja immer herhalten, wenn gegen ein Vorhaben berechtigte Kritik vorgetragen wird. Richtig ist jedoch, diese Arbeitsplätze können auch bei dezentralen Standorten geschaffen und erhalten werden.

Apropos Kritik und Einwände.

Das Planverfahren wurde eingeleitet und als ergebnisoffen beschworen, obwohl schon längst feststand, wo gebaut werden soll. So wird logischerweise auch den über hundert Argumenten gegen die Bebauung nicht gefolgt. Die berechtigten Einwände der Bürgerinnen, Bürger und Umweltverbände werden abgetan. Fragt sich wirklich, warum das aufwändige Beteiligungsverfahren überhaupt durchgeführt wurde, wenn die Entscheidung von vorne herein feststand.

Bemerkenswert ist auch die Kontrollfunktion der Behörden. Die Landesregierung wird sich hier praktischerweise ihr eigenes Bauvorhaben selbst genehmigen.

Weitere Argumente gegen die Zerstörung des Weidfeldes:

– In Zeiten von Klimawandel und Bedrohung der Artenvielfalt ist die Bebauung nicht vertretbar.
– Windkraftanlagen wurden als unzumutbar angesehen, die unwiderrufliche Zerstörung der Landschaft jedoch nicht.
– Ziele der Raumordnung werden ignoriert, dem Grundsatz des Flächenschutzes und der Vermeidung von Flächenversiegelung wird nicht gefolgt.
– Abwägungen werden einseitig zu Gunsten des Bauvorhabens der Landesregierung und gegen den Umweltschutz getroffen. Die Einschätzungen über die Eingriffe hätten genauso gut im Sinne des Natur-Erhaltes gefasst werden können.
– Trotz der angeblich „günstigen“ topografischen Bedingungen sind auffällig starke Bodenbewegungen notwendig.

Sie, meine Damen und Herren von CDU, SPD und FDP glauben an die angeblichen Synergien, die auf Kosten der Natur entstehen, obwohl Sie wissen, wie schlecht es um unser Ökosystem insgesamt steht. Trotzdem treffen Sie immer noch Entscheidungen, die den kritischen Zustand weiter verschärfen, anstatt ihn abzumildern.

Wir glauben, dass die Beschwerde der Umweltverbände an die EU-Kommission wegen Missachtung des europäischen Naturschutzrechts
und die Klage der Anwohnerinnen und Anwohner in Erbschlö Erfolg haben werden. Nur so kann das Vorhaben dann umweltverträglich umgesetzt werden.

Aber Sie glauben ja auch, der Eingriff in den Naturhaushalt lässt sich ausgleichen, Sie glauben es reicht aus, ein Ersatzbiotop zu schaffen. Sie glauben sicher auch, irgendjemand hat noch eine Ersatz-Erde im Kofferraum!