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Ausbau des Wuppertaler Gesamtschulangebotes

11. November 2008

Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

575 Schülerinnen und Schüler werden jedes Jahr an Wuppertaler Gesamtschulen abgelehnt, weil die Stadt zu wenige Plätze dieser Schulform zur Verfügung stellt. Ich weiß, dass diese Zahl nicht neu ist, wir haben sie in den letzten Monaten, seit wir das Thema „Sechste Gesamtschule“ diskutieren, schon dutzendfach gehört. Dennoch, und das ist das Erstaunliche, scheint diese Zahl nicht dazu zu führen, dass das Problem von den beiden Mehrheitsfraktionen wirklich ernst genommen wird. Vielmehr meinen SPD und CDU nun mit der Erhöhung der Zügigkeiten an den Gesamtschulen Langerfeld und Vohwinkel, die etwas über 80 Plätze zusätzlich schafft, die Lösung gefunden zu haben.

Die Gründung der sechsten Gesamtschule wird auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Wenn in dem neuerlichen Grundsatzbeschluss die Rede davon ist, dass der Bestandschutz für Realschulen und Gymnasien durch den Schulentwicklungsplan bis 2013 steht heißt das, dass die Planungen für die neue Gesamtschule erst ab diesem Zeitpunkt erfolgen können, also in vier Jahren. Bis dahin werden über den Daumen gepeilt über 2.500 Schülerinnen und Schüler (bei gleich bleibender Nachfrage) unter dieser Verzögerungstaktik gelitten haben. Vielleicht steckt dahinter aber auch der Wunsch, dass durch die Einführung der Ganztagsbetreuung an den weiterführenden Schulen die Nachfrage nach Gesamtschulen drastisch zurückgeht.

Diese Sicht verkennt, dass das von der Landesregierung aufgesetzte 1000 Schulen-Programm von allen Experten einhellig als Flickschusterei betrachtet wird, das lediglich die Probleme, die durch die Einführung des Turbo-Abiturs bewirkt wurden, abschwächen kann. Zweitens sollte man die große Integrationsleistung der Gesamtschulen in der Mehrgliedrigkeit nicht unterschätzen. Während Gymnasien eine relativ homogene Schülerschar zur Hochschulreife führen können, ist die Schülerschaft in Gesamtschulen “ gewollt “ heterogen. Trotz dieser ungleichen Voraussetzungen waren die Ergebnisse des Zentralabiturs in diesem Jahr mit denen des Gymnasiums vergleichbar, die Abweichung betrug lediglich 0,3 Punkte.

Trotzdem war dies für die Schulministerin Sommer ein willkommener Anlass, das Gesamtschulabitur als „Abitur light“ zu bezeichnen und damit ihre Geringschätzung für die Arbeit der Lehrerschaft und der Schülerinnen und Schüler an den Gesamtschulen zum Ausdruck zu bringen. Die Landes-CDU pflegt halt immer noch gerne ihre bildungsideologischen Schützengräben.
Daher war es ja so überraschend und gleichzeitig wohltuend, als die Wuppertaler CDU plötzlich ihre Hemmungen vor der angeblichen „Einheitsschule“ über Bord warf und den übergroßen Elternwillen bedienen wollte. So viel Weitsicht und Courage war man ja gar nicht gewohnt, insbesondere nicht von dieser Rathausmehrheit.

Damals dachten wir alle, dass mit dem Grundsatzbeschluss die Entscheidung für eine schnelle Lösung gefallen war. Mit dem Kämmerer und dem Schuldezernenten stellten CDU und SPD damals wie heute die für die Planungen maßgeblichen Personen. Und natürlich hätten beide im Vorfeld dieses Beschlusses in den Fraktionen ihr Veto eingelegt oder doch zumindest deutlich gemacht, dass eine Realisierung dieser Entscheidung nicht möglich sei. Wäre also damals die mangelnde Finanzierungsmöglichkeit eines Neubaus durch den Kämmerer vor der Entscheidung zur Sprache gebracht worden, hätte der Schuldezernent, damals wie heute Dr. Kühn, schnellstens darauf verweisen können, dass für eine Lösung im Bestand durch die Verabschiedung des Schulentwicklungsplanes keine Hoffnung besteht und auch sonst keine nutzbaren Gebäude zur Verfügung stehen. Man hätte also entweder den Mut habe müssen, im SEP für weiterführende Schulen eine entsprechende Schule, die zur Umwidmung vorgeschlagen werden sollte zu benennen, oder man hätte offen und ehrlich zugeben müssen, dass aus Sicht der Verwaltung die sechste Gesamtschule nicht realisierbar sei.

Jetzt aber heute den Eindruck zu erwecken, als sei das Ergebnis dieser Prüfung für alle Betroffenen, für Verwaltung wie für die sog. Rathauspartner vollkommen überraschend gekommen ist schon wirklich ein Hammer. Der Kämmerer wurde unmittelbar nach der Grundsatzentscheidung in der WZ in einem Interview zitiert mit den Worten, ein Neubau sei nicht finanzierbar. Im gleichen Zeitraum erklärte der Kollege Kühme in der Wuppertaler Rundschau, eine bestehende Schule umzuwandeln sei ebenfalls keine Alternative. Ja was denn nun?
In der ersten Hälfte des Jahres kommen Sie zu der Erkenntnis, es könne kein Neubau und kein bestehender Standort sein und erst heute reicht uns die Verwaltung diese Ansicht hochoffiziell nach? All das lässt nur die Vermutung zu, dass es zu keinem Zeitpunkt die Absicht der großen Kooperation war, eine sechste Gesamtschule zu gründen. Und das alles geschieht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler in unserer Stadt. So sieht rot-schwarze Schulpolitik in Wuppertal aus.

Weil es nun also keine sechste Gesamtschule geben kann, der Elternwille aber unbestritten da ist, musste man sich etwas einfallen lassen. Ich war bei der ersten Lektüre dieser Vorlage mehr als erstaunt. Der Vorschlag, die Zügigkeiten an zwei bestehenden Gesamtschulstandorten zu erhöhen sowie die entsprechende Anpassung des Raumprogramms, also die Errichtung einer Sporthalle für die Gesamtschule Langerfeld war nämlich bereits im Februar der Inhalt eines Ergänzungsantrages meiner Fraktion zum Grundsatzbeschluss. Damals tönte die SPD-Fraktion in einer Pressemitteilung: „Grüne springen auf fahrenden Zug auf.“ Heute sind sie es, die unserem Vorschlag folgen müssen.

Diese Forderung wurde dann im Mai dieses Jahres vor dem Hintergrund der verwirrenden ƒußerungen von Staatsekretär Wienands noch einmal erneuert, um neben der langfristigen Maßnahme auch kurzfristig mehr Gesamtschulplätze anbieten zu können. So hätten perspektivisch in zwei Schritten ungefähr die Hälfte der Kinder, die heute abgewiesen werden, einen Gesamtschulplatz erhalten können. Beide Anträge wurden von SPD und CDU abgewiesen. Allerdings wurde ich bereits damals am Rande einer Schulausschusssitzung von einem Vertreter der großen Koalition gebeten, diesen Ergänzungsantrag zurückzuziehen. Man könnte diesen Vorschlag ja noch einmal gebrauchen.
Schon damals war also klar, dass der Ratsbeschluss vom Februar nicht umsetzbar war bzw. seine Umsetzung politisch nicht gewollt war. Das, meine Damen und Herren, nennt man, um es mit Herrn Reese zu sagen, hemmungslosen Populismus, also eine Strategie, die mit unrealistischen, aber populären Versprechungen versucht, kurzfristig ein Maximum an Zustimmung zu mobilisieren. Nichts anderes haben Sie hier vorgeführt und Sie sind damit glorreich gescheitert. Bedauerlich ist, dass Sie nicht schon zu Beginn des Jahres unsere Forderung unterstützt haben, da nun neun Monate ins Land gestrichen sind. Neun Monate, die im Interesse der Kinder in unserer Stadt besser hätten genutzt werden können. Verantwortungsbewusste Politik sieht anders aus.

Wir werden dieser Vorlage natürlich zustimmen, denn es ist ja unsere Idee. Wir werden aber auch weiterhin darauf drängen, den dritten Punkt des Grundsatzbeschlusses zu konkretisieren. In einer Pressemitteilung der SPD vom 8.2.2008 hieß es: „Die Verwaltung wird beauftragt festzustellen, welcher Standort sich am besten für die neue Schule eignet. Bis zum Ende des Jahres möchten wir auch erfahren, wann die sechste Gesamtschule ihre Arbeit aufnehmen kann und welche Kosten entstehen werden.“ Dem kann ich mich heute nur anschließen. Die Beantwortung dieser Frage steht aus und wir werden nicht bis 2013 warten, um diese Antwort zu erhalten.