Startseite > 23. Gedenkveranstaltung KZ Kemna am 17. Juni 2006

23. Gedenkveranstaltung KZ Kemna am 17. Juni 2006

20. Juni 2006

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich im Namen von Rat und Verwaltung der Stadt Wuppertal stellvertretend für den Oberbürgermeister zu dieser Gedenkveranstaltung, der 23. Gedenkveranstaltung am Mahnmal des KZ Kemna.

Bereits in den frühen 80ziger Jahren regte der Jugendring Wuppertal e. V. einen Wettbewerb zur Errichtung eines Mahnmals am KZ Kemna an. Nach Auswertung des Wettbewerbes, einer Spendenaktion aus den Reihen der Wuppertaler Bevölkerung und unter tatkräftigem Einsatz von Jugendlichen und Vertretern des Jugendrings konnte am 03.07.1983, also fünfzig Jahre nach dem Beginn der Unterdrückung in der Kemna, das Mahnmal nach dem Entwurf von Schülern des Gymnasiums Am Kothen eingeweiht werden.

Im Rahmen der Einweihung des Mahnmals verpflichtete sich der Jugendring Wuppertal, jährlich Gedenkveranstaltungen am Mahnmal durchzuführen. Diese finden jeweils im Sommer, zeitnah zum Tag der Inbetriebnahme des KZ Kemna, und am Volkstrauertag im November statt.

Vor diesem Hintergrund danke ich dem Jugendring für dieses mehr als zwanzig Jahre währende Engagement und begrüße herzlich die anwesenden Vertreter des Jugendrings, allen voran und namentlich Herr Schwarz, den Vorsitzenden.

Ich begrüße außerdem herzlich und namentlich die Musiker des Wuppertaler Rockprojektes ´Rock gegen Rechts´, hier allen voran Kalle Waldinger und die Gruppe Copyfight, und danke Ihnen für die Musik, die Sie dieser Gedenkveranstaltung beisteuern.

Alle anderen, die heute gekommen sind, sage ich herzlich willkommen, ohne sie beim Namen zu nennen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es geht in dieser Gedenkveranstaltung zum einen um das ehrende Gedächtnis jener Frauen und Männer, die im Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ihr Leben ließen, die unter großer Gefahr dem nationalsozialistischen Regime die Stirn geboten haben.

Zum anderen gedenken wir der Opfer dieses Regimes, die in Lagern wie diesem gequält und getötet wurden.

Artikel 1 unseres Grundgesetzes sagt mit Blick auf die dunkelste Zeit unserer deutschen Geschichte deutlich: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Wir sind aufgerufen, vor dem Hintergrund unserer Geschichte mehr als alle anderen Staaten und Nationen, den Menschen in den Mittelpunkt unseres Denkens und auch unseres Handelns zu stellen.

Was zählt, ist der Mensch! Er zählt in seiner Gesamtheit, seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit, und vor allem: in seiner unantastbaren Würde!

Die Würde des Menschen,

meine Damen und Herren,

ist unantastbar.

Die menschliche Würde macht nicht Halt vor anderen Nationalitäten, vor anderen politischen Auffassungen, vor einem anderen Glauben oder der sexuellen Orientierung!

Und diese Würde darf nicht im Allgemeinen beschworen und im Einzelfall verletzt werden!

Mit der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden elementare Menschenrechte scheinbar politisch legitimiert zunehmend außer Kraft gesetzt.

Schon am 01. April 1933 wurde die Menschen verachtende Ideologie des Naziregimes im Alltag deutlich sichtbar:

Als unübersehbare Zeichen der bevorstehenden Verfolgung und Ermordung von Juden, wurden jüdische Geschäfte, Ärzte, Banken und Rechtsanwälte boykottiert und auf Plakaten und in Schmierereien denunziert.

Auch Mahner und Oppositionelle bereits aus der Weimarer Zeit wurden mit aller Härte verfolgt und drangsaliert:

Mutige Wuppertaler wie Oswald Laufer, Bernhard Letterhaus, Karl Ibach, Cläre Bläser und Pastor Villard gelten heute in Wuppertal als Synonyme für eine unbestechliche Moral und einen unbeugsamen Willen.

Menschen wie sie gaben dem Unrechtsbewusstsein in der Zeit des Nationalsozialismus in Wuppertal ein Gesicht.

Und obwohl der Widerstand gegen das Nazi-Regime im noch jungen Wuppertal andauernd war, konnte er nicht verhindern, dass auch in unserer Stadt Menschen isoliert, denunziert, verfolgt und ermordet wurden.

Wir wissen heute, was den Menschen drohte, die ab dem 5. Juli 1933 als politische Häftlinge in das Konzentrationslager Kemna eingeliefert wurden.

Und wir wissen, was den Menschen drohte, die sich ab 1941 am Bahnhof Wuppertal-Steinbeck einfinden mussten und dann nach Izbica, Litzmannstadt oder Minsk deportiert wurden.

Das KZ in der Kemna und die Deportation und Vernichtung vieler Millionen Menschen war und ist ein demonstratives Symbol für den erdrückenden und vernichtenden Machtanspruch der Nationalsozialisten und ein Beweis für die Verachtung der Menschenwürde. Auch hier in Wuppertal.

Meine Damen und Herren,

es ist unverzichtbar, immer und immer wieder daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, dies auch mehr als 60 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Wenn auch einzelnen diese Erinnerung nicht in den Kram zu passen scheint.

Die vielfachen Anschläge und Schändungen des Mahnmals am KZ Kemna sind dafür ein beredtes Beispiel:

Erstmals wurde am Volkstrauertag 1999 eine Schändung des Mahnmals bekannt. Unbekannte hatten einen Finger der Bronzeplastik abgesägt. Nach der Reparatur kam es im Jahr 2000 zu weiteren Schändungen durch Farbschmierereien, die ihren traurigen Höhepunkt mit einem Angriff auf eine Gedenkveranstaltung des VVN am 09.07.2000 fanden, der von 14 rechtsradikalen Personen verübt wurde. Diese Attacke und auch der darauf folgende Prozess sorgten bundesweit für Aufsehen.

Deshalb nutzen wir die Gedenkveranstaltung heute auch dazu, uns entschieden gegen jede Form rassistischer, nationalistischer oder faschistischer Tendenzen entgegen zu stellen.

Wir wollen uns nicht damit abfinden und wir werden uns nicht damit abfinden, dass Vertreter dieser unmenschlichen und unmoralischen Weltanschauungen wieder in unseren Parlamenten sitzen. Auch im Wuppertaler Stadtrat.

Wir setzen dem entgegen:

Wuppertal ist eine tolerante Stadt.
Wuppertal ist weltoffen und bunt.

Das ist eine alltägliche Erfahrung heute, die uns allen viel abverlangt, die uns aber auch allen viel gibt.

Wir lernen heute über die unterschiedlichen Kulturen und über die unterschiedlichen Religionen, allein wenn wir aus dem Haus auf die Strasse gehen.

Wuppertal ist eine multikulturelle Stadt.
Deutschland ist eine Einwanderungsland.

Das ist verbunden auch mit vielen Problemen, die wir lösen müssen. Die Kritik daran aber, wollen wir nicht Rassisten und Nationalisten überlassen. Rassisten und Nationalisten gehören nicht zu uns.

Meine Damen und Herren,

die unantastbare Menschenwürde finden wir schon lange nicht mehr nur allein in unseren Gesetzesbüchern wieder, sie ist Bestandteil überall in unserer Gesellschaft, in Schulen, Vereinen, sozialen Gemeinschaften und auch in Parlamenten. Vor allem aber in unseren Gedanken hat sie ein zu Hause!

Nur die stete Erinnerung an Unmenschliches verhindert ein Vergessen der wehrlosen Opfer und der Menschen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus!

Nur die stete Erinnerung weist den Weg in eine gewaltfreie Zukunft, den wir beschreiten!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.