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Novellierung des Sparkassengesetzes

5. Juni 2007

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Fraktion Bündnis 90/DIE beantragt, Hauptausschuss und Rat der Stadt mögen folgenden Beschluss fassen:

Der Rat der Stadt Wuppertal fordert im Einklang mit den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände – dem Städtetag NRW, dem Städte- und Gemeindebund NRW und dem Landkreistag NRW – den Landtag NRW auf, das Drei-Säulen-System aus privaten Banken, Genossenschaftsbanken und ausschließlich öffentlich-rechtlichen Sparkassen zu erhalten.

Überlegungen, die Sparkassen durch die Einführung von Stammkapital durch europarechtliche Folgewirkungen für private Anteilseigner zu öffnen, sind mit dem öffentlichen Auftrag der kommunalen Sparkassen nicht zu vereinbaren und deshalb zu verwerfen.

Der Rat der Stadt setzt sich daher ein
? für den Fortbestand unserer Sparkasse, wie wir sie kennen,
? für eine Liberalisierung und Flexibilisierung des Geschäftsrechts der Sparkassen,
? gegen strukturelle Veränderungen des Sparkassenrechts und damit
? gegen Auflockerung der kommunalen Bindung,
? gegen eine (Teil-)Privatisierung als Folge der Bildung von Stammkapital,
? gegen die Bildung von Stammkapital, und zwar auch in nicht handelbarer Form,
? gegen die Aufhebung der Gemeinnützigkeitsbindung bei der Verwendung ausgeschütteter Beiträge
und appelliert an die Landesregierung, bei ihren Überlegungen zur Novellierung des Sparkassengesetzes in Nordrhein-Westfalen, an den bewährten Grundprinzipien der kommunalen Sparkassen uneingeschränkt festzuhalten.

Begründung:

1. Die geltende Struktur der Sparkassen hat sich bewährt und muss auch zukünftig Bestand haben. Das Modell der dezentralen, selbstständigen öffentlich-rechtlichen Sparkasse in kommunaler Trägerschaft erweist sich nach wie vor als modern und unverzichtbar im Nebeneinander mit den Genossenschaftsbanken und privaten Geschäftsbanken.

2. Das Sparkassengesetz NRW wurde im Rahmen der Novellierung im Jahre 2002 im breiten Konsens der politisch verantwortlichen Kräfte angepasst. Dabei wurde den Anforderungen des europäischen Rechts in vollem Umfang Rechnung getragen. Weitere ƒnderungen des Sparkassenrechts sind mit Blick auf das Europarecht nicht geboten.

3. Die im Sparkassengesetz verankerte Organisationsform der Sparkassen als rechtlich selbstständige Anstalten öffentlichen Rechts in kommunaler Trägerschaft ist europatauglich und Voraussetzung für den funktionierenden, allen Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft sowie der öffentlichen Hand zugute kommenden Wettbewerb der drei Gruppen des deutschen Kreditgewerbes. Kommunal gebundene, dezentrale, aufgaben- und gemeinwohlorientiert arbeitende Sparkassen gewährleisten eine breit fundierte, sozial gerechte und solide getragene wirtschaftliche Entwicklung aller Regionen.

4. Damit die Sparkassen ihre Aufgabe auch zukünftig voll erfüllen und sich dauerhaft im Wettbewerb bewähren, ihn stärken und beleben können, bedarf es einer angemessenen Flexibilität des Geschäftsrechts, das die Sparkassen im Vergleich zu ihren privaten Wettbewerbern nicht in der Ausübung ihrer operativen Geschäfte benachteiligt. Hierzu haben die kommunalen Spitzenverbände und Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen konkrete Vorschläge für Erweiterungen der geschäftlichen Spielräume der Sparkassen im Kreditgeschäft, bei der Börseneinführung von eigenen Wertpapieremissionen und bei Beteiligungen unterbreitet.

5. Eine ƒnderung der Rechtsreform der Sparkassen oder ihrer Strukturen wäre dem Anliegen abträglich, ihre Leistungsfähigkeit weiter zu steigern und eine noch bessere Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags zu sichern.

6. Eine für privates Kapital oder selbst nur für eine private Minderheitsbeteiligung geöffnete Sparkasse kann nicht wie bisher gemeinwohlorientiert einen öffentlichen Auftrag erfüllen. Private Investoren sind naturgemäß an attraktiven Renditen interessiert und finden daher wenig Gefallen an Unternehmen, die wie die heutigen Sparkassen Gewinnmaximierung nicht als ihren vorrangigen Geschäftszweck definieren. Bei privater Beteiligung würde daher ein Zielkonflikt zwischen öffentlichem Auftrag und privatwirtschaftlichem Gewinnstreben vorprogrammiert sein.

7. Die Zulassung von Stammkapital bietet gegenüber den vorliegenden Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände und Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen keinerlei Mehrwert. Die Zulassung von Stammkapital ist nicht nötig, um die kommunale Anbindung der Sparkassen zu stärken oder die Eigentümerstellung der Kommunen an ihren Sparkassen zu betonen. Dies wird bereits durch die weitgehende Ausschüttungsregelung und die Klarstellungen bei der kommunalen Trägerschaft, so wie sie in den Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände und Sparkassenverbände enthalten sind, hinreichend erreicht. Die Einführung von Stammkapital schafft auch nicht mehr Transparenz, als die Sparkassen den Kommunen, Kunden und der ÷ffentlichkeit ohnehin schon bieten. Die Zulassung von Stammkapital bei Sparkassen könnte aber ihrer möglichen späteren Privatisierung Vorschub leisten. Denn bei der, wenn auch freiwilligen und nicht fungiblen, Einführung von Stammkapital wird – wegen des in Europa festgeschriebenen Grundsatzes eines freien Kapital- und Dienstleistungsverkehrs – die Forderung kommen, die Möglichkeit zu schaffen, dass ein einmal gebildetes Stammkapital bei Veräußerungsabsicht auch von privaten Investoren erworben werden kann. Es muss also ein diskriminierungsfreier Verkauf ermöglicht werden; siehe Veräußerung der Landesbank Berlin Holding AG. Ein Zurück ist dann nicht mehr möglich. Der Bestandsschutz der Sparkassen in ihrer jetzigen Rechtsform ist dann unwiederbringlich aufgegeben worden.

8. Ohne Stammkapital sind die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen ökonomisch besser im Stande, den Verbund mit der WestLB AG weiter zu intensivieren.

9. Die Aufhebung der Gemeinnützigkeitsbindung bei der Verwendung von an den Träger ausgeschütteten Teilen des Jahresüberschusses der Sparkasse würde einen Systembruch bedeuten. Die gemeinnützige Verwendung ausgeschütteter Beträge stellt ein prägendes Merkmal der öffentlich-rechtlichen Sparkassen dar. ÷ffentlicher Auftrag der Sparkassen, Gemeinwohlorientierung ihrer Tätigkeit und gemeinnützige Verwendung der ausgeschütteten Gewinne durch den Träger sind sinnfälliger Ausdruck des bürgerschaftlichen Engagements der kommunalen Sparkassen und ihrer Mitverantwortung für die regionale Entwicklung. Ihr Zusammenspiel bedeutet ein Spezifikum der Sparkassen, das sie von Privat- und Genossenschaftsbanken unterscheidet.

10. Die Aufhebung der Gemeinnützigkeitsbindung würde zu einer erheblichen Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger führen, die in Zukunft das bewährte, allein dem Gemeinwohl verpflichtete öffentlich-rechtliche Sparkassenwesen gleichsam als eine elementare Säule der kommunalen Daseinsvorsorge in Gefahr sehen müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Mahnert
Stadtverordnete

Peter Vorsteher
Fraktionssprecher