Bezahlkarte für Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz
Gemeinsamer Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit am 09.04.2024, an den Hauptausschuss am 25.04.2024 und an den Rat der Stadt Wuppertal am 29.04.2024
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Ramette,
die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE Linke beantragen, die Mitglieder des Sozialausschusses, des Hauptausschusses und des Rates der Stadt mögen folgenden Beschluss fassen:
- Der Rat der Stadt Wuppertal sieht keine Notwendigkeit für die Einführung einer sogenannten Bezahlkarte für Geflüchtete. Der Rat geht dabei nach aktuellem Stand davon aus, dass jede Kommune selbst über die Einführung entscheiden kann.
- Sollte die Bezahlkarte landesweit eingeführt werden, fordert der Rat eine diskriminierungsfreie und einschränkungsfreie Nutzung. Dies ist nur unter Einhaltung von insbesondere folgenden Punkten möglich:
- die unbeschränkte Abhebung von Bargeld
- die Möglichkeit von Überweisungen
- keine Einschränkung der zu tätigenden Einkäufe
- keine örtliche oder regionale Beschränkung der Kartennutzung
Weiterhin ist sicherzustellen, dass der Anspruch auf Einrichtung von Bankkonten inklusive aller darin enthaltenen Funktionen erhalten bleibt. Zielgruppe der Bezahlkarte können ausschließlich Menschen mit Sozialleistungsanspruch sein, die keinen Anspruch oder faktischen Zugang zu einem Bankkonto haben. Sollte die Bezahlkarte landesweit eingeführt werden, dürfen den Kommunen keine zusätzlichen Kosten und Aufgaben entstehen.
Begründung
Kürzlich haben sich die Bundesregierung und die Bundesländer darauf verständigt, ein Bezahlkarten-Modell für Geflüchtete zu erarbeiten. Die bisherige Bargeldauszahlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz soll durch die Bezahlkarte teilweise oder ganz ersetzt werden. Konkrete Einschränkungen stehen dabei im Fokus der Debatte: nicht nur soll das Abheben von Bargeld sowie das Tätigen von Überweisungen unter Umständen nicht mehr möglich sein, auch soll die Karte ggf. nur in der eigenen Stadt oder in einem stark eingegrenzten Radius nutzbar sein.
Das erschwert nicht nur die Integration von Geflüchteten, sondern schränkt die Würde und Selbstbestimmung sowie letztendlich auch die Freizügigkeit der betroffenen Menschen massiv ein. Asylsuchende werden mit der Bezahlkarte in vielerlei Hinsicht vom Alltagsleben ausgegrenzt, bspw. ist an diversen Stellen weiterhin nur eine Bargeldzahlung möglich.
Befürworter*innen der Bezahlkarte beziehen sich insbesondere auf einen vermeintlich geringeren Verwaltungsaufwand sowie die Minimierung von Auslandsüberweisungen. In Wuppertal gab es bislang keine Hinweise darauf, dass der Wechsel zur Bezahlkarte den Verwaltungsaufwand reduzieren würde, da auch bisher an dieser Stelle keine Probleme registriert wurden. In den meisten Fällen verfügen geflüchtete Menschen schon kurz nach ihrer Ankunft in der Kommune über ein eigenes Bankkonto, auf welches ihnen die zustehenden Leistungen überwiesen werden.
Insofern besteht in dieser Hinsicht keinerlei Notwendigkeit eines Wechsels zum Bezahlkarten-System, im Gegenteil würde eine Bezahlkarte statt zu einer Entlastung der Verwaltungsabläufe vielmehr durch Doppelstrukturen sogar zu bürokratischem Mehraufwand führen.
Auch das propagierte Ziel, Flüchtlinge mit der Karte von Überweisungen in ihr Herkunftsland abzuhalten, entbehrt jeglicher Grundlage. Laut Aussage des Bundesfinanzministeriums liegen keine Daten zu entsprechenden Auslandsüberweisungen vor. Auch hinsichtlich eines Rückgangs von Rücküberweisungen durch die Einführung der Karte gibt es keine Schätzungen des Ministeriums. Migrationsexpert*innen gehen stattdessen schon wegen der Höhe der Leistungssätze vielmehr davon aus, dass der Umfang der Transfers gering ausfällt und bezweifeln, dass diese tatsächlich einen wesentlichen Anreiz für Migration darstellen.[1]
Sollte die Bezahlkarte landesweit eingeführt werden, muss es unser Ziel in Wuppertal sein,
eine humane und gerechte Umsetzung zu garantieren und die Rechte und Bedürfnisse von Geflüchteten angemessen zu berücksichtigen. Geflüchtete müssen genauso wie alle anderen Wuppertaler Bürger*innen Zugang zu einem normalen Konto haben. Stigmatisierung und Ausgrenzung muss verhindert werden. Ein Bezahlkarten-Modell kann nur dann akzeptabel sein, wenn es weder Diskriminierung noch Einschränkungen im Alltag für die betroffenen Menschen mit sich bringt und Stigmatisierung und Ausgrenzung strikt verhindert. Zusätzlich dürfen die Kommunen keinen zusätzlichen Kosten ausgesetzt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Marcel Gabriel-Simon Stadtverordneter
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Anne Jebbari
Stadtverordnete |
Susanne Herhaus Fraktionsvorsitzende |
Gerd-Peter Zielezinski Fraktionsvorsitzender |
[1] Bezahlkarten: Bundesregierung weiß nicht, wie viel Geld Asylsuchende in die Heimat überweisen – DER SPIEGEL