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Appell zur Luftreinhaltung – Stadtluft muss sauber sein: Elektromobilität stärker fördern – ÖPNV und Radverkehr ausbauen

10. April 2017

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Hauptausschuss am 10.05.17 und an den Rat der Stadt Wuppertal am 15.05.17

Der Antrag wurde abgelehnt.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

bundesweit werden die Immissionswerte der europäischen Luftqualitätsrichtlinie in vielen Städten und Regionen mit insgesamt ca. 35 Millionen Einwohnern Jahr für Jahr überschritten. Allein in Nordrhein-Westfalen lag die Luftbelastung im Jahr 2015 an 44 % der Messstellen über den Grenzwerten. Seit Jahren sind insbesondere bei der Stickstoffdioxidbelastung der Luft nur noch geringfügige Rückgänge feststellbar. Vor allem in den Ballungsräumen ist Stickstoffdioxid (NO2) ein giftiger und gesundheitsgefährdender Luftschadstoff. Auch in Wuppertal (Messort Gathe) überschritten  die NO2-Jahresmittelwerte 2015 (51 μg/m³) und 2016 (49 μg/m³) den Grenzwert von 40 μg/m³.

Daher beantragt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Rat der Stadt Wuppertal wendet sich mit dem dringenden Appell an die Bundesregierung,

  • die Städte durch verbesserte Rahmenbedingungen stärker zu unterstützen, hohe Umweltstandards, eine nachhaltige Mobilität und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung nachhaltig sicherzustellen,
  • den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, der Elektromobilität und des Radverkehrs deutlich stärker zu fördern
  • und die Emittenten von Luftschadstoffen, die die jeweils vorgegebenen Grenzwerte deutlich übersteigen, mit erheblichen Sanktionen zu belegen.

Begründung:
Dem massiv überhöhten Schadstoffausstoß selbst modernster Dieselfahrzeuge stehen die Kommunen bislang weitgehend machtlos gegenüber. Ohne entschiedene, zeitnahe Maßnahmen, die die Städte in ihrem Bemühen um die Reinhaltung der Luft nachhaltig unterstützen, wird die Einhaltung der EU-Luftqualitätsrichtlinie nicht möglich sein. Der Öffentliche Verkehr ist vielerorts an seinen Kapazitätsgrenzen angekommen und kann keine zusätzlichen Fahrgastzahlen mehr aufnehmen. Alleine können die kommunalen Haushalte den notwendigen Ausbau und Sanierung des Öffentlichen Personennahverkehrs nicht schultern. Und auch dem im Realbetrieb zu hohen Schadstoffausstoß modernster Dieselfahrzeuge – aufgedeckt durch den Diesel-Abgasskandal – stehen die Kommunen vollkommen machtlos gegenüber.

Kommunen ergreifen wirksame Strategien zur Luftreinhaltung

Die Kommunen haben vielerorts engagierte Maßnahmen im Rahmen von Luftreinhalteplänen ergriffen mit dem Ziel, das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung nachhaltig zu verändern. Zu solchen Maßnahmen zählen vor allem der Bau von Premiumwegen für Fußgänger, der Ausbau von Radwegen, der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, der Umstieg auf Elektromobilität beim Busverkehr und in den städtischen Fuhrparks, die Unterstützung von Carsharing-Konzepten, die Förderung von Bürgerbus-Initiativen sowie der Aufbau eines schulischen und betrieblichen Mobilitätsmanagements mit attraktiven Jobticketangeboten.

Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs unterstützen

Vor allem dem Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs kommt eine zentrale Bedeutung zu. Um mit attraktiven Angeboten Anreize für den Umstieg auf Bus und Bahn schaffen zu können, brauchen Kommunen und Länder eine stärkere finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung. Attraktive Verbindungen, kurze Reisezeiten und gute Kombinationsmöglichkeiten mit Carsharing-Angeboten und Fahrradverleihsystemen erfordern Investitionen in die Infrastruktur, den der öffentliche Verkehr auf kommunaler Ebene oft nicht aufbringen kann. Die Förderung der Gemeindeverkehre durch den Bund ist in den letzten Jahren faktisch immer weiter zurückgefahren worden. Steigende Fahrgastzahlen bei zurückgehenden Mitteln ist eine Gleichung, die im Öffentlichen Verkehr nicht aufgeht.

Nicht-Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten im Realbetrieb ist nicht hinnehmbar

Mit der Einführung von Umweltzonen wurden viele Fahrzeuge, vor allem Busse und LKW, mit Partikelminderungssystemen nachgerüstet. Diese Nachrüstung hat dazu beigetragen, die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Die erfolgreichen kommunalen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität werden ad absurdum geführt, wenn zugleich eine Vielzahl der Automobilhersteller Abschalteinrichtungen in ihre Diesel-Pkw einbauen und dadurch im Realbetrieb ein Vielfaches der zulässigen Abgase verursachen. Wir wollen nicht, dass unsere Kommune demnächst gezwungen sein wird, pauschale Fahrverbote für sämtliche Dieselautos zu verhängen. Wir fordern die Bundesregierung umgehend auf, rechtssicher dafür zu sorgen, dass die Schadstoffausstöße nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Realbetrieb, eingehalten werden. Zudem muss als Sofortmaßnahme eine vernünftige Regelung zur Einführung einer „Blauen-Plakette“ geschaffen werden.

Deutschland muss endlich auf saubere Elektromobilität setzen

Auch wenn durch verbesserte Fahrzeugtechnik und die tatsächliche Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte eine Verbesserung der Luftqualität erreicht werden kann, wird dies ein langwieriger Prozess sein. Ohne lenkende Maßnahmen wird der turnusmäßige Austausch von Fahrzeugen erst in vielen Jahren zu messbarem Erfolg führen und die Schadstoffbelastung senken. Die Kommunen sind jedoch verpflichtet, rasch Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung auszuschließen und die EU-Luftqualitätsrichtlinie einzuhalten. Deshalb muss neben den kommunalen Maßnahmen zur Luftreinhaltung auch der Ausbau der Elektromobilität auf Basis erneuerbarer Energien zeitnah und entschlossen gefördert werden.

Das Elektromobilitätsgesetz und die Kaufprämie der Bundesregierung ist sind echte Rohrkrepierer, solange die Steuer- und Ordnungspolitik der Bundesregierung weiterhin Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren massiv begünstigt. Während in vielen Nachbarländern der Verkauf von Elektroautos und der Aufbau der Ladeinfrastruktur vorangehen, blockiert die Bundesregierung eine ökologische Reform der Kfz-Steuer und vertrödelt die systematische Förderung von Ladestationen.  Wir fordern die Bundesregierung auf, die Hersteller zu verpflichten, mehr Elektroautos abzusetzen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum zu beschleunigen.

Förderung des Radverkehrs ins Zentrum rücken

Gute Radwege bieten die Möglichkeit, gesund, schnell und preiswert seine Ziele zu erreichen. Es gibt zahlreiche hervorragende Beispiele etwa in unserem Nachbarland Niederlande, wie der kommunale Radverkehr wirksam ausgebaut werden kann. Der Radverkehr darf deswegen durch die Verkehrspolitik nicht länger nachrangig behandelt werden. Radverkehr muss für alle – vom Schulkind über den Berufspendler bis zur Seniorin – sicherer und leichter werden. Dafür muss neben Kommunen und Ländern auch der Bund etwas tun: Wir brauchen mehr Radwege an Bundesstraßen, Radschnellwege und ein moderneres Straßenverkehrsrecht, das den Kommunen mehr Freiräume für die Erhöhung der Sicherheit und des Verkehrsflusses für Radfahrer*innen ermöglicht. Der Bund muss ebenfalls die Kombination von Fahrrad und öffentlichem Verkehr verbessern. An allen Bahnhöfen und Haltestellen muss es genügend und sichere Abstellmöglichkeiten geben.

MobilPass – umweltfreundliche und einfache Vernetzung von Mobilitätsangeboten

Echtzeitinformation, Buchung und Bezahlung basierend auf einem deutschlandweit einheitlichen Standard, sind wichtige Instrumente, um die Mobilität der Zukunft neu und einfach zu gestalten. Mit einem MobilPass kann genau dies erreicht werden. Reisen durch ganz Deutschland mit einer einzigen Smartcard oder App zu buchen und zu bezahlen – von Tür zu Tür.

Dabei müssen alle Verkehrsträger mit ins Boot. Ziel ist es, dass Fahrgäste überall in Deutschland verschiedene Verkehrsmittel vernetzt nutzen und kombinieren können: Busse, Bahnen, Fähren, Taxis, Carsharing und Leihräder. Auch Ladesäulen für Elektroautos und E-Bikes, Servicestationen oder sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder können dazu gehören. So lassen sich mit dem MobilPass verbundübergreifend tägliche Pendelrouten, aber auch die Urlaubsreise zum Strand oder in die Berge einfach buchen und bezahlen. Um den einheitlichen Vertriebsstandard zu etablieren, muss die Bundesregierung die entsprechenden gesetzlichen Regelungen anpassen.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Liebert                                         Bettina Brücher
Fraktionsvorsitzende                           Bürgermeisterin