Private Gleisanschlüsse für Gewerbe- und Industriegebiete
Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen am 01.06.2023
Sehr geehrter Herr Köksal,
die Verwaltung wird gebeten in Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG, bzw. der DB Netz AG folgende Fragen zu beantworten und dem Ausschuss nach der Sommerpause 2023 einen entsprechenden Bericht vorzulegen.
- Gibt es entlang der Schieneninfrastruktur in Wuppertal noch vorhandene, aber stillgelegte Anschlussgleise zu angrenzenden Gewerbe- und Industriegrundstücken?
Dabei sollte differenziert dargestellt werden, ob die Anschlussgleise noch gewidmet sind, oder ob ggf. ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig wäre. - Besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die teilweise noch vorhandenen Gleisanschlüsse wieder zu aktivieren?
Beispielhaft seien hier Gleise im Bereich östlich des S-Bahnhofes Unterbarmen, der Anschluss zur Fa. Reinshagen in Ronsdorf oder der Gleisanschluss der Fa. Erfurt an der Wuppertalbahn genannt. - Sieht die DB Netz AG die grundsätzliche Möglichkeit, dort wo bahntechnisch und betriebstechnisch möglich und sinnvoll in Wuppertal durch neue Betriebsgleise für Gewerbe, Industrie und Logistikunternehmen den Zugang zum System Schiene zu ermöglichen?
Beispielhaft sei hier das Gewerbe- und Industriegebiet VohRang in Vohwinkel genannt. - Ist es möglich, bei der Aufstellung von Bauleitplänen, bzw. der Ansiedlung von neuen Gewerbe- und Industrie- und Logistikstandorten generell die Möglichkeit einer Schienenanbindung zu prüfen und wo möglich verbindlich vorzusehen?
Beispielhaft sei hier das Areal um den Steinbecker Bahnhof und Flächen im Bereich Rauental entlang der Wuppertalbahn genannt. - Plant die Verwaltung, um künftige Rückbauten von noch vorhandenen Gleisanschlüssen zu vermeiden, ein Rückbaumoratorium mit der DB Netz AG zu verhandeln, sofern bestimmte Anschlussweichen und / oder Zustellgleise akut rückbaugefährdet sind?
- Prüft die Verwaltung bei großen Bauprojekten rechts und links der Bahnstrecke, ob auch temporär ein Gleisanschluss für die Anlieferung von Baumaterialien hergestellt werden kann?
Beispielhaft sei hier das Projekt „Barmer Bogen“ südlich des Bahnhofes Barmen genannt.
Begründung:
Der Straßengüterverkehr hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu verdoppelt und hat selbst in den Pandemiejahren 2020/21 kaum abgenommen. Wie schon im „Masterplan Schienengüterverkehr“ von 2017 ausgeführt, ist „bis zum Jahr 2030 nach vorliegenden Prognosen in Deutschland von erheblichen Verkehrsleistungszuwächsen im Güterverkehr von rund 40 % bezogen auf 2010 auszugehen.“ Sofern keine strukturellen Maßnahmen zur deutlichen Verbesserung des Modal Split zugunsten der Schiene erfolgen, sind erhebliche verkehrs- und umweltpolitische Probleme auch für die Städte zu erwarten. Bekanntlich ist der Verkehrssektor für rund 20 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verantwortlich. Bezogen auf die Verkehrsleistung emittieren Lastwagen rund viermal mehr CO2 als die Bahn. Während andere Wirtschaftssektoren ihre CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren reduzieren konnten, verursacht der Verkehr heute genauso viel Kohlendioxid wie im Jahr 1990. 95 Prozent der Treibhausgasemissionen im Verkehr gehen dabei auf das Konto des Straßenverkehrs. Um die Klimaschutzziele zu erreichen ist eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene notwendig. Denn: Die Bahnen fahren vielfach mit Strom, der schon jetzt zu über 60 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Beim Verkehrsträger Schiene wird schon heute der mit weitem Abstand höchste Anteil erneuerbarer Energie eingesetzt. Damit sind die Bahnen das umweltfreundlichste Verkehrsmittel für unsere Mobilität. „Es muss daher gelingen, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs in Zukunft deutlich zu steigern“ („Masterplan Schienengüterverkehr“). Zudem kann dem Schienengüterverkehr aufgrund der Spurführung eine führende Rolle bei der Digitalisierung und Automatisierung im Güterverkehr zukommen. Zwar gibt es erste Versuche auch den Straßengüterverkehr zu elektrifizieren, aber bis dies flächendeckend umgesetzt werden kann, werden noch viele Jahre vergehen. Außerdem verursachen auch emissionsfrei angetriebene LKW Schäden an Straßen oder Brücken und Feinstaubemissionen durch Reifenabrieb. Bekanntlich beansprucht ein 40-Tonner mit einer Achslast von 10 Tonnen die Straßeninfrastruktur rund 40.000 mal stärker als eine PKW. Deshalb sollten Möglichkeiten geprüft und genutzt werden, das Transportaufkommen auf den Straßen zu reduzieren und wo möglich zu minimieren, oder auf Bahn oder Binnenschifffahrt zu verlagern.
Eine Möglichkeit diesem Dilemma auch in Wuppertal Alternativen entgegenzusetzen, wäre den Güterverkehr dort wo möglich, wieder auf die Bahn zu verlagern. Das entspricht auch einem Ziel der Bundesregierung, den Verkehrsträger Schiene weiter zu stärken. Denn das Bundesverkehrsministerium hat ein Ausbauprojekt für lange Güterzüge begonnen, um künftig wieder mehr Güter auf der Bahn transportieren zu können. Beim 4. Schienengipfel im September 2022 wurde vom Bundesverkehrsministerium zudem angekündigt, dass der Deutschlandtakt als zentraler Kompass für die infrastrukturelle Weiterentwicklung des deutschen Bahnnetzes vorbereitet wird. Um möglichst schnell spürbare Verbesserungen auf die Schiene zu bringen, soll der Deutschlandtakt schrittweise in Etappen umgesetzt werden. Das Potentialkonzept soll auch Systemtrassen für den Schienengüterverkehr enthalten. Eine auch für Gemeinden und Städte wirksame Verkehrsverlagerung kann allerdings nur mit Gleisanschlüssen und kundennahen Zugangsstellen für Gewerbe und Logistikstandorte gelingen.
Wagenladungsverkehr ist auf kundennahe Gleisanschlüsse angewiesen, der Bestand ist aber seit Jahren dramatisch rückläufig. Durch den Abbau von Infrastrukturen, insbesondere von Gleisanschlüssen und Ladegleisen wurde der Zugang zur Schiene in der jüngsten Vergangenheit sukzessive erschwert. Das liegt oft auch an viel zu hohen finanziellen und administrativen Hürden. Aber: Der Vergleichsmaßstab muss hier die Straße sein. Denn vielfach ist der Anschluss an das öffentliche Straßennetz mit deutlich weniger Aufwand und Risiko verbunden als ein Gleisanschluss. „Bei Unternehmen der verladenden Wirtschaft und Logistik ist aber durchaus wieder ein wachsendes Interesse an der Schiene und auch am eigenen Gleisanschluss festzustellen“, so die „Gleisanschluss-Charta“ vom September 2022. Hier muss also im Sinne der klima- und verkehrspolitischen Ziele von allen Akteuren die Abwärtsspirale gestoppt werden. Dazu müssen die finanziellen und administrativen Rahmenbedingungen für die Betreiber signifikant verbessert werden. Für die Verkehrsverlagerung und zur Entlastung des regionalen und kommunalen Raumes vom Straßengüterverkehr sollen künftig wieder ausreiche Gleisanschlüsse und Zugangsstellen an die Schiene zur Verfügung gestellt werden.
Deshalb sollte früh damit begonnen werden, dass auch lokal vor Ort bis zur Einführung des Deutschlandtaktes zumindest die Voraussetzungen für die Anbindung von Industrie- und Gewerbe an die Bahn geprüft und idealerweise auch schon bei der Planung solcher Gebiete mit berücksichtigt und geschaffen werden, um dann später von dem Ausbauprojekt direkt zu profitieren. Wichtig ist dabei sicherlich auch eine stärkere Werbung für das bereits vorhanden Gleisanschlussförderprogramm. Auch ist denkbar, dass Gewerbeflächen mit realem oder optionalem Gleisanschluss für Unternehmen vorgehalten werden, die ernsthaft am Schienentransport interessiert sind.
Der Verkehrsträger Schiene sollte bei der Erschließung von Gewerbeflächen auch in der übergeordneten Gesamtplanung, also auch im Flächennutzungsplan und der Regionalplanung künftig stärker berücksichtigen werden. Gewerbeflächen in der Nähe von Bahnstrecken sollten erhalten bzw. für entsprechende Ansiedlung reserviert und ein weiterer Rückbau vorhandener Schieneninfrastruktur vermieden werden.
Gemäß der „Anschlussförderrichtlinie“ des BMV vom 20. Januar 2021 werden Investitionen in Neubau, Ausbau, Reaktivierung und Ersatz von Gleisanschlüssen einschließlich Anschlussweiche und Zuführung- und Industriestammgleise zu Gleisanschlüssen gefördert. Ziel ist es, mit je 1 Million Euro Fördermitteln 31.000 LKW-Fahrten zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Widmann Timo Schmidt
Stadtverordneter Stadtverordneter