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Bildung statt Betreuungsgeld

1. Juni 2012

Antrag an den  Jugendhilfeausschuss am 21.06.2012, an den Hauptausschuss am 27.06.2012 und an den Rat der Stadt Wuppertal am 02.07.2012

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Kühme,

die Bundesregierung plant auf Drängen der CSU die Einführung eines Betreuungsgeldes, das ab 2013 ausgezahlt werden soll. Eltern, die sich entscheiden, ihre Kinder bis zum Alter von 3 Jahren ausschließlich zu Hause zu betreuen und nicht in eine KiTa zu schicken, sollen dann eine staatliche monatliche Zuwendung ab Januar 2013 für Kinder im zweiten Lebensjahr in Höhe von 100 bzw. ab 2014 150 Euro monatlich, dann auch für Kinder im dritten Lebensjahr, erhalten.

Der Jugendhilfeausschuss, der Hauptausschuss und der Rat der Stadt Wuppertal werden gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:

Der Jugendhilfeausschuss, der Hauptausschuss und der Rat der Stadt bitten die Bundesregierung, auf die Einführung eines Betreuungsgeldes zu verzichten und die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von bis zu 1,2 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren.

Begründung:

–        Schweden (2008), Norwegen (1998) und Finnland (1985) haben langjährige Erfahrungen mit einem Betreuungsgeld gesammelt. Mindestens 320 Euro werden dort Eltern ausgezahlt, die auf eine staatliche Kinderbetreuung verzichten. Eine Studie befasst sich mit den Auswirkungen:
„In der Praxis bewahrheiten sich die Befürchtungen der Betreuungsgeld-Gegner. Es wirkt sich nachteilig auf die Geschlechtergerechtigkeit aus, es behindert die Erwerbstätigkeit von Müttern und bremst den Ausbau der Betreuungsangebote – und es hält vor allem Zuwandererfamilien davon ab, ihre Kinder in eine KiTa zu schicken.“ (Süddeutsche Zeitung, 20.04.2012)

–        Grundsätzlich halten wir es für nicht sinnvoll, für eine staatliche Leistung zu zahlen, die NICHT in Anspruch genommen wird.

–        Die Kosten für das Betreuungsgeld werden auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt, also fast ein Drittel der 4 Milliarden Euro für den gesamten Krippenausbau. Auf die Kommunen umgewälzt hieße das für Wuppertal einen Anteil von 2 Mio. Euro. Geld, das dann für den Ausbau der Kinderbetreuung oder für Sprachförderprogramme fehlt. Deshalb sollte das Geld besser in ein flächendeckendes und gutes Betreuungsangebot für Kleinkinder investiert werden, um damit endlich eine echte Wahlfreiheit für Familien – insbesondere für Mütter – herzustellen.

–        Ab dem 1. August 2013 besteht bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, in NRW fehlen noch 27.000 Plätze, in Wuppertal mehr als 800. In ihrem Zehnpunkteprogramm schlägt Bundesfamilienministerin Schröder vor, klammen Kommunen mit einem zinsgünstigen Kredit auf die Sprünge zu helfen. In Städten wie Wuppertal mit vorläufiger Haushaltsführung würde das den Kreditrahmen sprengen und wäre deshalb keine Hilfe. Es darf nicht dazu kommen, dass Kommunen zu Ausfallbürgen eines unterfinanzierten KiTa-Ausbaus werden. Das teure Betreuungsgeld wird dringend für den KiTa-Ausbau gebraucht!

–        Gerade Kindern aus sozial schwächeren Familien muss früh der Zugang zu öffentlichen Bildungsstätten ermöglicht werden, um ihre Bildungschancen deutlich zu verbessern.

–        Der geplante Ausschluss von Hartz IV-BezieherInnen vom Betreuungsgeld macht deutlich, weshalb diese Initiative aus Bayern initiiert werden soll: hier geht es nicht um die gesellschaftliche Honorierung von Erziehungsleistung, sondern darum, bereits privilegierte Familien zu bedienen. Diese Mitnahmeeffekte für Besserverdienende sind kontraproduktiv.

–        Als eine Konsequenz des Betreuungsgeldes ist zu befürchten, dass viele Mütter länger zu Hause bleiben. Dies gilt angesichts der Höhe von KiTa-Gebühren auch für „NormalverdienerInnen“-Haushalte.

–        Ihr Wiedereinstieg in den Beruf wird so deutlich erschwert. Das können wir uns nicht leisten, denn schon jetzt gibt es in Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel. Wenn jetzt zusätzlich Anreize geschaffen werden, die diese Entwicklung noch verschärfen, ist das volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.

–        Alles in allem ist das Betreuungsgeld kaum etwas anderes als eine „Zurück-an-den-Herd“ – Prämie für junge Frauen zu Lasten des Ausbaus von Kinderbetreuung.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Yves Ramette                                        Peter Vorsteher
Stadtverordneter                                           Fraktionsvorsitzender

Der Antrag wurde beschlossen, bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der SPD und CDU.